Verruchte Nächte - One Night with a Spy (03 Royal-Four)
Erektion drängt sich fordernd an mich, und ich lasse mich langsam auf ihn nieder.
Ich schließe die Augen und presse mein Gesicht gegen seinen muskulösen Hals. Ich will nicht sehen, wie er aussieht, denn wenn er ein Gesicht hat, dann hat er auch einen Namen. Und diesen darf ich niemals wissen.
»Möchtet Ihr jetzt baden, Mylady?«
Erschreckt fuhr Julia, Lady Barrowby, die zwanzigjährige Ehefrau des betagten Hausherrn, von ihrem Tagebuch auf und sah ihre Zofe, Pickles, ungeduldig mit den Fußspitzen auf den Boden tippen.
Julia blinzelte, als ihre Phantasie langsam durch die graue Wirklichkeit ersetzt wurde. Richtig. Es war erst früher Abend, nicht Mitternacht, und statt nackt im See zu
schwimmen war sie, wie üblich, in ihrem Schlafzimmer. Ein leichtes Schuldgefühl überkam sie. Schließlich war ihr Leben hier in Derbyshire wunderbar. Warum verspürte sie den Drang, ihm in diesen Tagebuchaufzeichnungen zu entfliehen? »Entschuldige, Pick. Ich lege es weg, sobald die Tinte trocken ist.«
»Immerzu müsst Ihr vor Euch hinkritzeln. Ihr werdet Euch noch die Augen verderben, so wahr ich hier stehe.«
»Ich weiß, Pick.« Julia verschloss seufzend das Tintenfässchen. »Hat seine Lordschaft erwähnt, ob er mir heute Abend vielleicht ein wenig Gesellschaft leistet?«
Ein Hauch von Mitleid schlich sich in Pickles’ Blick. Sie wandte sich rasch ab, um ihn zu verbergen. »Seine Lordschaft ist nach dem Abendessen direkt auf sein Zimmer gegangen, wie immer.«
Wie immer. Julia hob das Kinn. Aldus war schon so lange nicht mehr zu ihr gekommen - und selbst wenn er es getan hatte, so war er eher verlegen gewesen als verliebt. Ihr machte der große Altersunterschied nichts aus. Sie schuldete ihm so viel. Sie würde alles für ihn tun … wenn er sie nur ließe.
»Hm! Jetzt wird auch noch das schöne heiße Wasser kalt.« Pickles schnaubte vorwurfsvoll. Der Augenblick des Mitleids war überwunden. »Wenn Ihr noch unsere kleine Jilly wärt, würde ich Euch den Hosenboden dafür strammziehen, dass Ihr mir meine Zeit stehlt.«
»Ja, Pickles.« Julia legte ein bisschen Lady Barrowby in ihre Stimme. »Das hast du mehr als deutlich gemacht.«
Pickles verstummte mit einem letzten abfälligen Grunzen und streckte den Arm nach Julias Morgenrock aus. Julia zog ihn aus und stieg mit einem weiteren Seufzer in das nunmehr nur lauwarme Wasser. Pickles verließ den Raum. Die Tür fiel mit einem dezidiert beleidigten Knall ins Schloss.
Julia schloss die Augen. Sie würde später noch dafür büßen - wahrscheinlich würde sie mindestens zwei Wochen
lang kein wirklich heißes Bad bekommen -, aber sie durfte nicht zulassen, dass Pickles zu weit ging. Aldus war eisern. Nur weil die Frau einmal die engste Freundin ihrer Mutter gewesen war, war das noch lange kein Grund, ihr und den anderen handverlesenen Dienern zu erlauben, der Herrin von Barrowby dermaßen zuzusetzen.
Im Nachhinein entschied sie, dass der heutige Tagebucheintrag eine außergewöhnlich erregende Phantasterei war, voller Schönheit und Reiz. Die letzte Zeile war ihr ein wenig melodramatisch geraten - »wenn er ein Gesicht hat, dann hat er auch einen Namen. Und diesen darf ich niemals wissen« - aber wen kümmerte das schon? Niemand außer ihr würde es jemals lesen.
Sie rutschte tiefer ins Wasser, lehnte den Kopf an den Rand der luxuriösen Kupferwanne und ließ ihrer Phantasie freien Lauf.
Der Mond steht rund und voll …
»Mylady!« Pickles stürmte ins Zimmer, ihr ergrauendes Haar zerzaust und die Augen weit aufgerissen. »Mylady, seine Lordschaft … er hatte einen Anfall!«
1. Kapitel
England, 1813 Drei Jahre später
E hemänner kamen und gingen, aber schreckliche Haare behielt man für immer.
Julia, seit kurzem die verwitwete Lady Barrowby, zwang eine letzte lockige Strähne zurück in ihre ausgesprochen strenge Frisur und ließ den schwarzen Schleier darübergleiten. Ihr geliebter Aldus hatte sich drei lange Jahre nach seinem ersten Anfall gequält, um bei ihr zu bleiben, und obgleich er ihr mehr Mentor als Ehemann gewesen war, so hatte sie doch geschworen, ihn einen ganzen Tag lang aufrichtig zu betrauern, bevor sie sich an die Aufgabe machte, die er ihr hinterlassen hatte.
So wie er es gewünscht hatte, hatte sie ihn heute mit nicht mehr Pomp bestatten lassen, als ihn auch der Bäcker des nahen Middlebarrow erhalten hätte. Jetzt musste sie sich zusammennehmen und ihre Tränen trocknen, denn der Augenblick war gekommen.
Seufzend bemerkte sie, dass eine
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