verrueckt nach dir
emotionaler denn je? Was war es, dass mir so bitter aufstieß?
Eigentlich lag die Antwort nahe: Ich wollte kein Spielball mehr sein, und ich wollte Antworten! Klare, verständliche Antworten und keine dummen Ausflüchte und fadenscheinigen Erklärungen für kleine, zehnjährige Mädchen! Wenn ich jemals die Gelegenheit erhalten sollte, würde ich meinen Vater schonungslos direkt fragen, warum er unsere kleine Familie kaputtgemacht hatte, indem er uns Hals über Kopf verließ? Aber ich wusste bereits, dass er dieser Frage immer aus dem Weg gehen würde.
Meine Mutter kam erst gegen 18 Uhr nach Hause und fand mich mit Kopfhörern auf meinem Bett liegend und an die Decke starrend. Ich hörte gnadenlos laute Musik ohne Rücksicht auf meine armen Ohren. In einer Hand hielt ich mein Handy fest umklammert.
Sie setzte sich zu mir an den Bettrand und schaute ernst. Ich richtete mich auf und nahm die Kopfhörer ab.
»Hi, Lexi, alles okay mit dir?«
»Ja, klar«, antwortete ich knapp. In meinen Augen sah sie aber sofort, dass ich aufgewühlt war. Tja, noch nie hatte ich ihr etwas vormachen können.
»Hast du was?«
»Nein, wieso?« Ich versuchte, unbekümmert zu lächeln.
Sie legte den Kopf schief und hob die Augenbrauen. »Also, was ist los, hm?«
Ich seufzte und deutete mit dem Kinn zu meinem Schreibtisch, wo das Geschenk und die Karte von meinem Vater lagen.
»Oh«, machte sie stirnrunzelnd und stand auf. »Er meint es doch nur gut, Lexi«, murmelte sie schließlich, während sie mit großen Augen den E-Reader untersuchte.
Als sie so dastand und die Karte las - die wieder die Happy Birthday-Melodie abspielte - konnte ich genau sehen, wie sie für einen Moment aufgeregt nach Luft schnappte. Sie legte die Karte wieder weg und sah zu mir rüber. »Er vermisst dich.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Ach, Süße ... er ist dein Vater.«
»Das hat nicht viel zu bedeuten, Mama«, sagte ich verbissen. Meine Mutter machte ein ratloses Gesicht und schwieg. Sie sah erschöpft aus und war nicht in der Verfassung, um mit mir eine Grundsatzdiskussion zu führen, worüber ich insgeheim auch froh war.
Dann fiel ihr Blick auf das neue Kleid und die Sandalen, die auf meinem Bett lagen. Sie ergriff die Gelegenheit und wechselte das Thema. »Ah, ist das deine Shopping-Beute?«
Sie nahm das Kleid hoch und musterte es eingehend. »Wow! Das ist das klassische kleine Schwarze, Lexi! Da bin ich aber platt, dass du dir sowas ausgesucht hast!«
»Ich fand‘s schön und es passt wie angegossen«, sagte ich nüchtern.
»Das glaub ich gern. Du hast eine niedliche Figur, kannst sowas ruhig öfter tragen!« Sie legte das Kleid wieder weg und verschränkte die Arme vor der Brust. »Und Sergio war also hier ... musste aber wieder los, oder wie war das nochmal?«
Ich nickte. »Sein Cousin und er hatten noch was zu erledigen, aber wir treffen uns heute Abend.« Hoffentlich!
»Aha, und wann?«
»Das ... ähm ... weiß ich noch nicht.«
Sie runzelte skeptisch die Stirn.
Immer noch hatte sie den Ring an meinem Finger nicht bemerkt, also startete ich die Flucht nach vorn.
»Das hab ich von ihm«, sagte ich, streckte ihr meine Hand entgegen und wackelte mit den Fingern.
Sie trat einen Schritt näher und machte staunende Augen. »Hübsch! ... Sergio hat dir das geschenkt, ja?«, fragte sie. In ihren Blick mischte sich allerdings eine gehörige Portion Skepsis.
Ich nahm tief Luft und spuckte es aus. »Es ist ein Verlobungsring, Mama!«
Meine Mutter verzog keine Miene und sah mich einfach nur unbewegt an, dann hoben sich ihre Mundwinkel zu einem angedeuteten Lächeln, während ihre Augen unsicher in meinem Gesicht nach etwas suchten.
»Ein Verlobungsring? Ach, Alexa, das ist wirklich süß. Aber mit sowas macht man eigentlich keine Spielchen, meine Süße.«
»Es ist kein Spiel. Sergio meint es ernst!«, entgegnete ich ruhig. Ich saugte meine Unterlippe ein und beobachtete aufmerksam ihre Reaktion. Sie schwieg einen Moment und schüttelte dann kaum merklich den Kopf. »Ja, ja, sicher tut er das. Er scheint gern ein wenig extrem in manchen Dingen zu sein, aber das kannst du sicher besser beurteilen.«
»Kann ich.«
Okay, was die Verlobung anging, war offenkundig, dass sie sie für einen Teenager-Gag hielt und sich folglich auch nicht aufregte.
Ich wollte mich ohnehin nicht mit ihr streiten, wo sie gerade so ausgelaugt von der Arbeit zurückgekommen war. Es wäre nicht fair, auch wenn ich eine seltsame Lust danach verspürte. Aber
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