verrueckt nach dir
unbedingt sprechen wollte. Sie ist total ausgerastet, Lexi! Ich meine, so richtig ausgerastet! Wir haben fies gestritten, sie und ich, und Yvo hat sich seitdem in seine Zimmerecke verkrochen. Ich würde ja gerne sagen, der übliche Wahnsinn, aber diesmal war es ziemlich heftig.«
»Warum denn?«
»Weil meine Mutter glaubt, dass Yvo in einem Heim besser aufgehoben wäre und dort mehr lernen könnte als zuhause ...«
»Oh, nein, sagt sie das wirklich?«
»Mmh.«
»Das ist schrecklich, oder?«
Er antwortete nicht sofort. Ich konnte mir seinen Kummer und den Ärger auf seine Mutter sehr gut vorstellen.
»Es wird nicht passieren«, erwiderte er schließlich. »Yvo kommt in kein scheiß Heim, das steht mal fest! Nur über meine Leiche. Ich denke, ich hab das meiner Mutter heute ziemlich deutlich gemacht.«
»Und was hat sie gesagt?«
»Nichts. Sie ist beleidigt zu ihrer Schwester abgehauen. Janna ist gleich hinterher, um die Wogen zu glätten. Ist ein altes Spiel. Ich hasse es.«
»Oh je«, seufzte ich. Ich wusste gleich, was das zu bedeuten hatte. »Und du hängst jetzt bei euch fest?«
»Tut mir echt leid.«
Das konnte doch nicht wahr sein! Wie frustrierend! Ich wollte es nicht glauben. »Sergio, du stehst nicht zufällig unten vorm Haus?«, fragte ich hoffnungsvoll, auch wenn es unwahrscheinlich war, dass er denselben Trick zweimal an einem Tag anwendete.
»Ganz bestimmt nicht. Sorry, Lexi«, sagte er ernst.
»Schade«, seufzte ich.
»Lexi?«
»Ja?«
»Kannst du nicht zu mir kommen?«
»Du willst mich noch sehen?«
»Na klar will ich dich sehen.«
»Und was ist mit Yvo?«
»Er ist ruhig. Er mag nur nicht aus seinem Zimmer rauskommen.
»Gut, dann komm ich gerne.« Und wie ich komme!
»Meine Mutter und Janna schlafen garantiert bei Tante Sanja heute Nacht«, sagte er und klang jetzt aufgeregt. »Wir sind also allein ... abgesehen von Yvo ... aber der ist ruhig, wie gesagt. Ich mach ihm gleich sein Abendbrot und baue ihm noch irgendwas aus Lego auf, dann wird er schon wieder. Der ist eigentlich todmüde, weil er letzte Nacht kaum geschlafen hat. Also, ich schätze, spätestens in einer Stunde schlummert er friedlich in seinem Bett.«
»Das ... wäre schön«, sagte ich, höchst erfreut über die Aussichten, die Sergio da schilderte.
»Schläfst du hier?«, fragte er und schien die Luft anzuhalten.
Ich schluckte. Es war genau das, was ich wollte. »Meine Mutter wird sicher nichts dagegen haben, denke ich. Sie bekommt vielleicht sogar Besuch.«
»Cool.«
»Ja, ziemlich cool.«
»Dann bis nachher.«
»Bis nachher.«
»Grüß deine Mutter von mir.«
»Mach ich.«
»Sergio?«
»Ja?«
»Ich beeil mich.«
»Ich wollt‘s ja nicht sagen«, lachte er.
»Also, bis dann.«
»Bitte denk an unser Gespräch«, wiederholte meine Mutter zum x-ten Mal, als sie mir beim Packen meines Rucksacks zusah. Ich versicherte ihr - auch zum x-ten Mal - dass sie sich keine Sorgen zu machen brauche.
»Willst du das Kleid anbehalten?«
»Ich denke schon.«
»Es steht dir wirklich gut, Lexi.«
»Danke, ich muss mich nur noch daran gewöhnen.«
Sie schmunzelte gerührt.
»Und Derek kommt wann?«, fragte ich.
»Müsste jeden Moment eintreffen. Er bringt drei Filme zur Auswahl mit, hat er gesagt, und reichlich Knabberzeug.«
»Klasse, er wird mir immer sympathischer!« Meine Mutter in Gesellschaft zu wissen, während ich bei Sergio übernachten würde, beruhigte mein Gewissen ungemein.
»Wann kommst du morgen nach Hause?«
»Weiß noch nicht.«
»Schick mir `ne SMS, ja?«
Ich nickte.
Gerade als ich gehen wollte, klingelte Derek Bender an der Haustür. Ich wartete, bis er oben war, um ihn noch zu begrüßen.
»Fliegender Wechsel«, lachte meine Mutter und ließ ihn eintreten. Sie umarmten sich flüchtig und ein wenig verlegen, vermutlich, weil ich daneben stand.
Derek streckte mir freundlich lächelnd die Hand entgegen. »Lexi, diesmal komme ich und du gehst ...«, meinte er amüsiert.
Ich schwang meinen Rucksack auf die Schulter. »Also, dann wünsch ich euch einen schönen Film-Abend«, sagte ich und eilte hinaus.
GEFLASHT
Die langen Tage waren mit das Beste am Sommer und erst recht die lauwarmen Abende, in denen die Luft sanft über Haut und Haare streichelte und von vielen verschiedenen Düften durchzogen war. Ich überlegte, ob ich zu Fuß gehen sollte, schließlich war es immer noch taghell, aber der Wunsch, so schnell wie möglich bei Sergio zu sein, war zu mächtig.
Also spähte ich
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