verrueckt nach dir
Ich war so schockiert, dass ich nicht mehr denken konnte.
»Es war ganz anders, als es auf dem Bild aussieht, Sergio, glaub mir«, versuchte Bojan sich zu erklären. Er nahm die Hörner ab und schmiss sie auf die Rückbank. »... Ja, sie sitzt neben mir ... Na, weil ich sie heimfahre ... Ich kann sie dir geben ... Nein, Sergio, warte doch! ...«
Bojan starrte auf das Handy, dann zu mir. »Er hat aufgelegt!«
»Ich kann keinen klaren Gedanken fassen«, sagte ich mit erstickter Stimme. Mir war, als bekäme ich keine Luft mehr. Ich kurbelte das Fenster herunter und steckte meinen Kopf heraus. Die Nächte waren inzwischen schon sehr kühl geworden.
Bojan schwieg eine Weile, dann berührte er meine Schulter. »Lexi ...?«
Ich starrte in den schwarzen Nachthimmel. »Wenn ich ihm von Mark erzähle, was würde er dann tun?«
»Ihm den Kopf abreißen wollen? ... Und mir sowieso ... selbst wenn er uns glaubt, verdammt!« Bojan fuhr sich unruhig durch die Haare. «Du musst mit ihm reden, Lexi! So oder so.«
Er startete den Wagen. »Oh, Mann, das ist alles gar nicht gut, so kurz vor seinem Kampf ...«
Es war exakt auch mein Gedanke, und er war beängstigend.
Ich hatte plötzlich das Bild von Sergios Gegner, Yuri Rutschenko, vor Augen: die weißblonden Haare, der eiskalte Blick und sein unmenschliches Gebrüll. Er war in meiner Erinnerung so schaurig wie die Morlocks aus dem Film »Die Zeitmaschine«.
»Bo?«
»Ja?«
»Schaust du dir den Kampf an?«
Wir hielten gerade vor einer roten Ampel.
Bojan hob überrascht die Brauen und sah mich an. »Ich? Auf keinen Fall! Ich zieh mir doch keine arrangierten Fights rein! Ich find die pervers. Wenn ich mich prügle, dann nur aus Notwehr ... oder, weil ich jemandem helfen will ... zum Beispiel einer schönen Frau aus den Klauen eines Monsters ...« Er grinste halbherzig. »Diese illegalen Untergrund-Kämpfe in Berlin sind bekannt für ihre Brutalität, Lexi. Was denkst du, warum die keinen Körperschutz tragen? Nicht mal Boxhandschuhe! Je brutaler, desto höher die Wetten! Glaubst du, ich schau zu, wie ein Blutsverwandter von mir in den Ring steigt, vor einem Haufen Sadisten? Ne, danke ...«
Ich hatte auf einmal das dumme Gefühl, dass Sergio den Kampf verlieren könnte. Seine mentale Verfassung war alles andere als gut, und ich Idiot war die Hauptursache dafür. Im Affekt hatte ich den Ring abgenommen und ihn damit völlig verunsichert. Und als ob das nicht gereicht hätte, spielten sich in seinem Kopf gerade unsinnige Fantasien über mich und Bojan ab.
Sergios Vertrauen zurückzugewinnen, würde nicht leicht werden. Doch nichts wollte ich dringender als das. Ich musste ihn davon überzeugen, dass meine Gefühle für ihn unverändert waren, egal was ich gesagt oder getan hatte.
Nur wie?
Bojan hielt vor meinem Haus. Er legte den Kopf schief und runzelte ratlos die Stirn. »Wie kriegen wir die Kurve, Lexi? Ich bange um meinen Kopf, weißt du? Ich würd den echt gern behalten ...«
»Hat er gesagt, wo er ist?«
»Nein. Wir haben ja kaum geredet, du hast alles mitgehört. Blöderweise ... wollte er nicht mit dir reden.«
»Was mich ehrlich gesagt nicht verwundert«, seufzte ich. »Das Bild sieht ziemlich eindeutig aus.«
»Lexi?«
»Mmh?«
»Warum trägst du den Ring nicht?«
Die direkte Frage ließ mich innerlich straucheln. »Ich find ihn nicht mehr. Wir hatten eine Unstimmigkeit, und ich hab ihn abgenommen, weil ich wütend war. Ich hab überreagiert ... Er liegt irgendwo auf dem Zimmerboden.«
»Das ist alles?«
»Ja, warum?«
»Nur so.« Bojan sah mich kritisch an. »Wenn du es ernst mit Sergio meinst, musst du ihm das auch zeigen.«
»Bo, das will ich doch«, sagte ich.
Er nickte. »Ich glaub dir das. Also, was hast du vor?«
»Ich ruf ihn an ... gleich, wenn ich oben bin!«, sagte ich und fühlte mich in dem Moment schon etwas besser. »Ich werde ihm alles erzählen ... haargenau so, wie es sich abgespielt hat. Keine Sorge, Bo, er wird mir glauben ... Bloß meinen Verdacht, was Mark angeht, muss ich mir aufsparen, bis der Kampf vorbei ist.«
»Okay, klingt gut, Lexi. Die Sache ist nämlich die ... du musst unbedingt vor mir mit ihm reden.«
Ich beugte mich ein wenig vor. »Gute Nacht, Bo. Es war ... ein unvergesslicher Abend. Und ich danke dir für deine Hilfe.« Mit einem Lächeln gab ich ihm einen Kuss auf die Wange.
Er schmunzelte zaghaft. »Viel Glück. Und ich hätt nichts dagegen, wenn du mich anrufst ... ähm ... nur, um zu sagen, wie es gelaufen
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