verrueckt nach mehr
saßen wir immer noch herum. Inzwischen waren schon über vier Stunden ve r gangen, seit ich mit Sergio in der Notaufnahme erschienen war. Ich beschloss, meine Mutter anzurufen. Sie musste b e reits wach sein und sich für die Arbeit zurechtmachen. Als sie erfuhr, was los war, schien sie alarmiert. Ich hörte es an der verständnisvollen Art, wie sie mit mir redete.
»War schon richtig, ihn zu begleiten, Lexi«, sagte sie und verlor kein Wort über die Schule. Sie sagte, sie mache sich bald auf den Weg und ich solle mir keine Gedanken machen, das lange Warten auf Informationen sei leider ganz normal und habe nicht viel zu bedeuten. Untersuchungen würden i m mer ewig dauern, meinte sie, weil zu viel los sei und zu wenig Personal zur Verfügung stehe.
Draußen zogen dicke Regenwolken auf und mit ihnen ve r dunkelte sich der Himmel. Das grelle Licht im Klinikgebäude ließ die Gesichter der Menschen fahl und kränklich wirken, selbst wenn sie zu den Gesunden gehörten. Auf den Fluren war jede Menge los. Personal eilte hastig umher, stand alle r dings manchmal auch nur herum und schien belanglos zu plaudern. Besucher kamen und gingen. Patienten waren als solche nicht immer zu erkennen, die meisten litten wohl une r kannt.
Bojan und Luka redeten ab und zu miteinander. Jelena schwieg gedankenversunken, und ihre Schwester las in einem Magazin, das sie von irgendwoher aufgetrieben hatte.
Wir waren alle von Ungeduld und Ungewissheit zermürbt, als endlich Derek wieder auftauchte.
»Sie können jetzt mitkommen«, sagte er lächelnd zu uns allen. »Heute ist hier die Hölle los.«
Wir folgten ihm schweigend.
Derek führte uns durch ein paar Flure in einen Bereich, wo ein Behandlungszimmer neben dem anderen lag . »Warten Sie bitte hier«, sagte er und verschwand hinter einer Tür.
Wir standen zunächst orientierungslos im Flur herum. Dann öffnete sich dieselbe Tür und Dr. Suan und ein weiterer Arzt kamen heraus.
»Das ist Dr. Whörl«, sagte Dr. Suan ausdrucklos und sah uns abwechselnd an. »Wir können auf der MRT-Aufnahme keine Anzeichen von Schädigungen entdecken.« Dr. Suan blä t terte ein wenig in der Patientenakte auf seinem Unterarm herum. »Wir können aber davon ausgehen, dass der Patient eine mittelschwere Gehirnerschütterung hat, die im günstig s ten Fall folgenlos abheilt.«
Wir sahen uns gegenseitig an und atmeten erleichtert auf. Jelena bekreuzigte sich und sah dabei kurz zur Decke.
Dr. Whörl , ein hagerer Mann mit Dreitagebart und Brille, sagte: »Da die Symptome ziemlich deutlich ausgeprägt sind, wäre unsere Empfehlung, dass der Patient zur Überwachung für 24 Stunden stationär aufgenommen wird.«
Jelena nickte zustimmend. »Das geht völlig in Ordnung.«
»Sind Sie seine Mutter?«, wollte Dr. Suan daraufhin wi s sen.
»Ja.«
»Das Problem ist, Ihr Sohn möchte sofort entlassen we r den. Er wurde darüber aufgeklärt, dass er dies nur auf eigene Verantwortung hin tun kann. Die Entlassungspapiere hat er bereits unterschrieben.«
Jelena sah uns ratlos an.
Wir waren alle nicht begeistert und hoben stumm die Brauen.
Dr. Whörl öffnete die Tür zum Behandlungszimmer. »Sie können jetzt zu ihm reingehen«, sagte er zu Jelena gewandt. »Vielleicht können Sie ihn noch umstimmen, ansonsten ... sollte er sich einige Tage schonen. Strikte Bettruhe ist ang e sagt und bei Bedarf Schmerzmittel.«
Als wir Jelena folgen wollten, hob der kleine Dr. Suan die Hand: »Moment! Sie warten bitte hier draußen.«
Ich sah enttäuscht zu Jelena, die mir verständnisvoll z u nickte. »Seine Freundin kommt mit«, sagte sie bestimmend und nahm mich an der Hand mit sich.
Sergio saß in sich gesunken auf einer Trage, schien aber voll da zu sein. Als er uns sah, hellte sich seine Miene auf. »Na endlich ... dann kann ich jetzt gehen?«, fragte er die Är z te.
»Auf Ihre eigene Verantwortung, wie gesagt«, antwortete Dr. Suan kühl.
»Aber klar doch.« Sergio glitt von der Trage auf die Füße und zog seine Jacke an.
Jelena umarmte ihn kurz und sagte etwas auf Serbisch, woraufhin Sergio entschieden den Kopf schüttelte.
Dann trat er schmunzelnd auf mich zu. Ich hakte mich bei ihm unter und drehte mich nochmal kurz zu Derek Bender um, der schweigend in einer Ecke stand. »Tschau, Derek«, sagte ich leise. Er hob die Hand zum Abschied und lächelte.
Wir verließen das Behandlungszimmer.
Draußen wurde Sergio von seiner Tante mit einer innigen Umarmung empfangen und blitzschnell von oben bis unten
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