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Verrückte Lust

Verrückte Lust

Titel: Verrückte Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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also überzeugt, daß ich eine Lesbe bin. Und deine Frau – was ist sie?«
    Sie hielt gerade lange genug inne, um ihre Worte in sein Bewußtsein sinken zu lassen. Als sie fortfahren wollte, fiel ihr Hildred ins Wort. »Genau! Wenn sie eine Lesbe ist, bin ich auch eine.« Sie tauschten ein paar kurze Blicke. »Jetzt hast du eine Nuß zu knacken, du armseliger Wicht«, schienen sie zu sagen.
    Mit vollkommener Ruhe sagte Vanya: »Was stellst du dir eigentlich unter einer Lesbe vor? Du behauptest, ich wäre eine Lesbe. Wieso eigentlich? Weil du wieder mal meine Briefe gelesen hast? Ich weiß, daß du bei mir herumschnüffelst. Ich hab die Briefe absichtlich offen auf meinem Tisch
    liegenlassen, ja, absichtlich. Ich will, daß dieser Blödsinn aufhört. Ich bin diese Andeutungen leid. Entscheide dich – so oder so…«
    Hildred unterbrach sie. »Ich werde selbst für Klarheit sorgen«, sagte sie und wandte sich mit hochrotem Gesicht an Tony Bring. »Ich lasse diese Beschimpfungen nicht länger zu, hast du mich verstanden? Wenn in diesem Haushalt irgend etwas nicht in Ordnung ist, dann bin ich diejenige, die dafür verantwortlich ist. Warum läßt du sie nicht in Ruhe? Warum fällst du nicht über mich her, du Feigling? Ich kann dir alles sagen, was du wissen willst.«
    »Na gut, dann tu’s endlich!« sagte er.
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Ein Lastwagen fuhr vorbei und ließ das Haus bis in die Grundmauern erbeben.
    »Also – was willst du wissen?« Hildreds Fuß wippte
    ungeduldig auf und ab.
    »Alles«, antwortete er schlicht.
    »Ein bißchen genauer. Eben hast du noch alle möglichen Anschuldigungen vorgebracht. Also raus damit, der Reihe nach… Ich warte.«
    Eine bedrückende Müdigkeit überkam ihn. Plötzlich war alles zu dumm, um es mit Worten auszudrücken. Wie die drei
    Kugeln auf dem Billardtisch. Mit der Stoßkugel zielte man, und wenn das Handgelenk im Einklang mit den Gesetzen der Mechanik, der Ballistik, der Trigonometrie und allem
    möglichen anderen stand, küßte die rote Kugel die weiße, und alle drei Kugeln klickten. Und wenn alle drei Kugeln klickten, durfte man noch einmal stoßen. Und wenn es einem gelang, die drei Kugeln dicht beieinander zu halten, wenn man sie, wie man sagte, zusammenhielt, konnte man soundsovielmal
    stoßen. Er machte einen langen Stoß und schloß die Augen.
    Vorbei. Jetzt war ein anderer dran. Ein paar Augenblicke lang stand er da und starrte dumpf vor sich hin. Seine
    Aufmerksamkeit war geteilt zwischen ihrem albernen,
    verlogenen Gerede und seinen eigenen rastlosen Ängsten.
    Plötzlich drang eine Bemerkung von Hildred mit
    vernichtender Wirkung zu ihm durch. »Was sagst du da?«
    schrie er. »Kein Wort mehr! Noch ein Wort, und ich hau dir eine runter: Herrgott, ihr seid doch wirklich zu allem fähig…
    zu allem. Willst du damit sagen, daß du gedacht hast, ich sei ein… Wenn du dieses Wort noch ein einziges Mal im
    Zusammenhang mit mir gebrauchst, schlage ich dir den
    Schädel ein! Du sagst, du wärst eifersüchtig gewesen,
    eifersüchtig auf einen Freund von mir. Wenn ich glauben würde, daß du die Wahrheit sagst, würde ich dich windelweich schlagen. Aber ich glaube dir nicht, ich glaube dir nicht! Du bist eine ausgemachte Lügnerin. Du würdest noch lügen, wenn du eine Schlinge um den Hals hättest. Und jetzt lügst du, weil du nicht weißt, wie du dich da wieder rauswinden sollst. Du würdest behaupten, ich bin verrückt, wenn du damit dein Gesicht bewahren könntest. Du würdest alles sagen! Du bist verdorben, vergiftet, krank! Du hast also gedacht, ich wäre mal pervers gewesen – oder es fast gewesen. Wirklich, ein dicker Hund! Genau – ich werde mir ein rotes Tuch umbinden und mich anbieten. Vielleicht, wenn ich mich etwas anstrenge, bringe ich sogar ein bißchen Geld nach Hause. Perverser zu vermieten – wöchentlich oder monatlich – günstige Preise. Ein anständiger Perverser mit Frau und Familie…«
    Während dieser ganzen Szene, die immer ungezügelter und heftiger geworden war, hatte Vanya steif, mit versiegelten Lippen und einem steinern-undurchdringlichen
    Gesichtsausdruck dagesessen. Hin und wieder, wenn eine besonders üble Beschimpfung in ihre Richtung geschleudert wurde, überlief sie ein Schauer. Was Tony Bring betraf, so schien er nicht mehr Herr seiner selbst zu sein. Er ging auf und ab und drohte abwechselnd Hildred und Vanya mit der Faust.
    Er stieß die schrecklichsten, beleidigendsten Obszönitäten hervor. Er

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