Verrückte Lust
Anfall von Heimweh bekommen. Sie sprachen über Stierkämpfe, obwohl sie noch nie einen gesehen hatten, und Dredge versuchte, von so interessanten Dingen wie der Luneta in Manila und den Kaugummi-Minen in Mexico zu erzählen. Hin und wieder
erschien ein Rausschmeißer und schleifte einen armen
betrunkenen Teufel ins Hinterzimmer, wo ihm mit Hilfe eines Taxifahrers und eines Polizisten die Daumenschrauben
angelegt wurden.
Der Morgen graute, als Tony Bring sich von Dredge
verabschiedete. In der Eingangshalle war es noch dunkel. Er stolperte und fiel gegen die Tür. Das Glas klirrte. Danach Stille, eine tiefe, geheimnisvolle Stille. Er stieß die Tür auf und tastete im Dunkeln nach einer Kerze.
»Bist du es?« hörte er Hildred sagen.
Mit der Kerze in der Hand stolperte er zum Bett. Jemand lag neben Hildred auf dem Bauch, jemand, der tief und fest schlief.
»Wer ist das?« wollte er wissen.
»Mein Gott, du bist ja betrunken!« rief Hildred.
»Macht nichts… Wer ist das? Vanya?«
»Pssst!«
»Hier kann ich laut sein, soviel ich will! Los, weck sie auf, aber schnell! Wer hat ihr erlaubt, in meinem Bett zu schlafen?
Heh, wach auf! Vanya!«
Vanya drehte sich verschlafen um und blinzelte. Er stellte die Kerze auf den Boden, schob seine Arme unter sie und begann, sie aus dem Bett zu ziehen.
»Hör auf! Warte!« rief sie. »Was soll das?« Plötzlich roch sie seinen Atem. »Schon wieder betrunken?«
»Schon wieder gar nichts. Wie kommst du dazu, in meinem Bett zu schlafen?« Er zog fester an ihr.
»Laß mich los… Du reißt mir ja die Arme aus!« schrie sie.
Hildred versuchte, ihn wegzuzerren. Er schlug blindlings nach ihr und traf sie in die Magengrube. Sie ächzte und sank zu Boden. Sogleich war Vanya bei ihr. »Schnell… hol
Wasser!« rief sie. »Du hast ihr weh getan.«
»Hol’s doch selber! Ich hab sie nicht angerührt. Schöne Begrüßung – da kommt man nach Hause und muß sich seinen Platz im Bett erst freikämpfen. Das ist mein Bett, verstanden?
Da hast du nichts zu suchen.«
Vanya eilte ins Badezimmer. Hildred lag noch immer dort, wo sie zusammengebrochen war, preßte die Hände auf den Bauch und stöhnte.
Tony Bring Heß sich auf das Bett fallen. »Warum müßt ihr aus allem gleich so ein Theater machen?« sagte er. »Kann man denn nicht ab und zu mal ein bißchen Spaß haben, ohne daß der Teufel los ist? Na komm schon, nun lieg nicht da herum wie ein lahmer Esel. Beweg dich!«
Er stieß ein gewaltiges, löwenartiges Gebrüll aus und drehte sich um. »Herrje, alles dreht sich. Dieser Champagner… das war einfach zuviel. Zuviel.« Er begann mit zittriger
Falsettstimme zu singen: »Let me call you sweetheart, I am in love with you-ou-ou…«
»Sei still!« rief Vanya und schüttelte ihn. »Du wirst die Nachbarn aufwecken.«
»Wo ist Hildred? Warum kommt sie nicht ins Bett? Ich will, daß dieses Affentheater aufhört, verstanden?«
Vanya redete sanft auf ihn ein, zog ihn aus und deckte ihn zu.
Dann holte sie ein feuchtes Handtuch und wickelte es um seinen Kopf. »Das tut gut«, sagte er. »Vanya, du bist ein Mordskumpel.«
Kurz darauf mußte sie ihm ins Bad helfen; sie hielt seinen Kopf, als er sich vorbeugte und sich in die Badewanne erbrach.
»Wie ekelhaft«, sagte er, lehnte sich an sie und lächelte schief. »Geh raus, ich werde das aufwischen.« Doch als er sich bückte, hatte er das Gefühl, als käme ihm die Galle hoch, und ihm wurde furchtbar übel. »Was für ein Schwein ich bin! Was für ein Schwein!« Er bat sie, ihn allein zu lassen, es werde ihm gleich wieder besser gehen. In diesem Augenblick erst wurde ihm bewußt, daß er nur seine Unterwäsche anhatte. Er sah sie an und lächelte schwach, wie Dredge – dieses dümmliche, fade Lächeln. Er sah sich im Spiegel: das grünliche Gesicht, die verquollenen und geröteten Augen, den verschmierten Mund.
»Wo ist Hildred?« fragte er. »Hab ich ihr weh getan? Was habe ich getan? Ich hab sie doch nicht geschlagen, oder?«
Vanya hatte das Handtuch von seinem Kopf gewickelt und wischte damit die Badewanne aus. Es stank.
»Komm«, sagte er schwach, »laß das. Ich mach das morgen früh. Du mußt mich stützen, ich bin so schlapp wie ein nasses Handtuch.«
Vanya brachte ihn ins Bett, legte seine schmutzigen Kleider beiseite und deckte ihn zu. »So«, murmelte sie, während er stöhnte und zitterte. »So, und jetzt schlaf. Es ist alles in Ordnung, Tony. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.
So…« Sie steckte die Decke
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