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Verrückte Lust

Verrückte Lust

Titel: Verrückte Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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hier. Und in Nagasaki gab es gewisse Häuser, wo ein rotes Licht über der Tür brannte, und drinnen fand man wunderschöne Püppchen mit kirschroten Lippen und Mandelaugen…
    Ein Taxi hielt am Straßenrand. Der Fahrer lehnte sich aus dem Fenster und winkte ihnen. Ob sie nicht Lust hätten, sich zu einem netten, ruhigen, stilvollen, usw. Etablissement fahren zu lassen? Wenn man seinen Lobgesang hörte, hätte man
    meinen können, er wisse den Weg zu einem Paradies voller Huris und Moschusduft.
    Dredge war skeptisch. Das alles klang einfach zu gut,
    erinnerte zu sehr an die Zeiten, als das »Guadalquivir« noch geleuchtet hatte, usw.
    »Herrje, wollen Sie vielleicht in irgendeinen Puff gehen und eins über die Rübe kriegen?« sagte der Fahrer, um keine lange Diskussion aufkommen zu lassen. »Steigen Sie ein«, schnurrte er, »und wenn’s Ihnen da nicht gefällt, können Sie ja wieder gehen. Ich fahr Sie schon nicht zu irgendeinem zwielichtigen Laden.«
    Kaum saßen sie im Wagen, da fuhr er auch schon los wie von tausend Teufeln gehetzt. »Wird Ihnen gefallen«, rief er durch die Trennscheibe.
    Dredge ärgerte sich über den Ton, in dem er dies sagte. »Es muß uns nicht gefallen«, gab er zurück.
    »Sei still!« sagte Tony Bring. »Fang keinen Streit mit ihm an.
    Laß uns erst mal sehen, wohin er uns bringt.«
    Sie hielten irgendwo im Theaterviertel vor einem imposant wirkenden Bürogebäude an. Der Eingang war mit einem
    Scherengitter verschlossen. In der Eingangshalle stand ein Polizist und unterhielt sich mit dem Liftboy. Zu fünft stiegen sie in den Aufzug. Als sie nach oben fuhren, begann der Liftboy zu pfeifen. Er hatte ein blasses, narbiges Gesicht, die Art von Gesicht, wie man es in kalten, regnerischen Nächten vor dem Balkonaufgang eines Striptease-Theaters sieht.
    Ein Aufblitzen funkelnder Lichter, samtweiche Teppiche, Mädchen in paillettenbesetzten Kleidern, mit alabasterkühlen Rücken und roten Lippen, die wie winzige Wellen bebten. Aus einer verborgenen Nische drangen gedämpfte Töne, die ihre Knie weich werden ließen. Ein Duft nach süßen Körpern, der schwere Geruch von Rosen, ein Wirbeln gepuderter Glieder, Goldfische, die träge in Becken mit abgestandenem Wasser schwammen. Die Tür schloß sich wieder, und der Fahrstuhl verschwand. Sie sahen sich hilflos an. Gefangen. Verzaubert.
    Eingesperrt mit der mystischen Braut.
    Ein Mann tauchte auf und sprach lockend und
    einschmeichelnd auf sie ein. Neben ihm stand der Taxifahrer und streckte die Hand aus. Tony Bring gab seinem Freund einen kleinen Stoß. »Er will, daß du ihm was gibst.«
    »Aber ich hab ihm doch schon was gegeben«, sagte Dredge.
    »Dann gib ihm noch was.«
    »Warum?«
    »Weil er uns zu einem so netten, ruhigen, stilvollen
    Etablissement gefahren hat.«

    Der Grieche, der ihnen voranging, erwies sich als höflicher Mensch mit einem glatten Mördergesicht. Er sagte zu allem ja.
    Seine Hände waren blaß und samtweich, und er hatte
    tiefliegende Augen, die ständig in Bewegung waren und
    glänzten wie bunte Glasmurmeln. In der Garderobe sahen sie sich schüchtern um. Herrliche Schmetterlinge, die ihre Kokons nachzogen und von ihrer eigenen erotischen Ausstrahlung ganz betäubt waren, glitten vorbei oder setzten sich, um ihre Flügel auszuruhen. Im Vorbeigehen verstreuten sie einen Regen von Blütenblättern und Geplauder, so zart wie Gaze.
    Der Tisch, zu dem sie geführt wurden, ragte auf wie ein betrunkenes Schiff in einem Nebel aus rauchendem Wein.
    Silbriges Glitzern und Kristallsplitter lösten sich in Feuern von Staub auf. Buchstaben aus Pech standen zentimeterdick auf der Getränkekarte… Diese Raffinesse ließ sie erschauern.
    Sie hatten sich kaum gesetzt, als zwei Täubchen an ihren Tisch geflattert kamen. Dredge machte den vergeblichen Versuch aufzustehen, während Tony Bring sich gedankenvoll über den Bart strich und im Spiegel neben dem Tisch sein fadenscheiniges Hemd betrachtete. Die Begrüßung war kurz und freundlich. Der Grieche rieb sich die glatten, samtweichen Hände. Seine Zunge bewegte sich glatt und gewandt zwischen den glatten weißen Zähnen. Alles war so glatt wie eine schimmernde neue Säbelscheide.
    Miss Lopez, die spanischer Herkunft und ein bißchen
    sexbesessen war, erkundigte sich sogleich, ob sie nicht durstig seien. Sie sagte das mit staubtrockener Stimme, als wäre ihre Vergangenheit ein Monsun und ihr gegenwärtiges Leben eine Wüste. Die andere, Miss St. Clair, verkündete, sie vergehe geradezu

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