Verrückte Lust
gleichmütiges Gesicht zu machen.
Jetzt kommt’s, dachte Tony Bring.
Der Ober stand steif neben dem Tisch, während Dredge seine Taschen leerte. Er klatschte die abgegriffenen Geldscheine auf den Tisch. Scheinbar ohne es zu berühren, zählte der Ober das Geld. Dann nahm er mit einer heftigen, arroganten Bewegung die Rechnung und hielt sie Dredge unter die Nase.
»Fünfundfünfzig Dollar!« sagte er.
»Wofür?« fragte Dredge. »Wofür?«
»Dredge, fang keinen Streit an!«
»Aber wo, zum Teufel, soll ich fünfundfünfzig Dollar
hernehmen? Du weißt, wieviel ich habe. Das ist alles, was ich ihm gebe, und alles, was er kriegen wird.« Und dabei nahm er die Geldscheine und schob sie in seine Tasche.
Auf einmal stand der Grieche händereibend neben ihnen. Er hatte die Szene von weitem beobachtet. »Worum geht es, bitte?« fragte er freundlich und verbindlich.
Der Ober murmelte ihm etwas ins Ohr.
»Oh, tatsächlich?« Er schien völlig überrascht. Er wandte sich an Dredge, und seine Stimme klang noch immer herzlich, verbindlich, glatt und freundlich. Er stellte ein paar höfliche Fragen, und dann, als wäre es ihm gerade erst eingefallen, sagte er: »Vielleicht begleiten Sie mich lieber zu unserem Buchhalter. Diese Kleinigkeit sollte sich doch zu aller Zufriedenheit bereinigen lassen. Es geht ja schließlich um lediglich fünfundfünfzig Dollar.«
Tony Bring saß stocksteif da und starrte die Wand an. Er fragte sich, wie Dredge diese »Kleinigkeit« handhaben würde.
Die beiden Frauen waren noch nicht wieder zurück. Die Musik spielte noch, aber sie klang jetzt weniger verführerisch. Die Gläser waren abgeräumt, der Tisch war leer.
Die Zeit schleppte sich dahin. Niemand näherte sich ihm. Er rutschte unruhig hin und her und strich sich über den struppigen Bart. Sein Kragenknopf war abgesprungen.
Plötzlich war Miss St. Clair wieder da. Anita sei gebeten worden, für eine Weile an einem anderen Tisch Platz zu nehmen. Ob er ihr nicht noch einen Cocktail bestellen wolle?
Nur einen einzigen? Und wohin sein Freund verschwunden sei? All dies sagte sie mit erstaunlicher Naivität. Als sie hörte, daß Dredge versuche, die Rechnung zu bezahlen, legte sie die Hand über den Mund und gähnte.
»Spendier mir einen kleinen Drink«, bat sie.
»Aber das kann ich nicht. Ich habe keinen Penny in der Tasche.«
»Im Ernst?« sagte Miss St. Clair. Diesmal schien sie zu begreifen, daß er die Wahrheit sagte. In ihrer Stimme lag nicht nur Verachtung, sondern auch Angst, als hätte er plötzlich eine Eidechse aus der Tasche gezogen und ihr vor die Füße
geworfen.
Es vergingen einige peinliche Augenblicke. Sie saßen da, ohne sich anzusehen. Sie trommelte wütend mit den Fingern, und er starrte auf ein Wandgemälde über ihrem Kopf, das einen bösen Geist darstellte, der sich mit langen, spitzen Fingernägeln auf eine Gruppe von Trunkenbolden stürzte.
Als Dredge schließlich zurückkehrte, lächelte er breit. Wie zuvor wurde er von dem Griechen, seinem Faktotum, und dem zuständigen Ober eskortiert. »Was wollt ihr zu trinken haben?«
waren seine ersten Worte. »Für mich einen kleinen Scotch«, sagte er zum Ober. Und dann, mit einem Anflug von
Verärgerung: »Wo ist Anita? Sagen Sie ihr, daß wir sie hier bei uns haben wollen.«
Er setzte sich. »Alles in Ordnung«, sagte er. »Nur zu – viel Spaß. Wenn dir Anita nicht gefällt, lassen wir eine andere kommen. Wir zahlen für Gesellschaft, und wir werden sie bekommen.«
»Hör mal, Dredge, das ist ja alles sehr lustig, aber was ist eigentlich los? Ich sitze hier wie auf Kohlen.«
Dredge zog eine Zigarre aus der Brusttasche, biß lässig das Ende ab, paffte und machte sich daran, seinen Freund ins Bild zu setzen. »Ganz einfach«, sagte er. »Sie wollten wissen, ob ich ein Bankkonto habe und wo und wieviel drauf ist. Ich habe ihnen Keiths Kontonummer gegeben. Wie sollen sie das schon merken? Sie haben gesagt, ich soll warten, bis sie
Erkundigungen eingezogen haben. Erkundigungen! Wie können sie um diese Uhrzeit Erkundigungen einziehen?
Schließlich haben sie gesagt, es ist alles in Ordnung und haben mich einen Blankoscheck unterschreiben lassen.«
»Dann ist also alles in Ordnung?«
»Alles in Ordnung. Bestell dir, was du willst.«
Anita kehrte mit Miss St. Clair zurück, setzte sich freundlich lächelnd zu ihnen und badete sie in der Wärme ihres
andalusischen Blutes. Die Nacht schritt voran. Champagner floß und Malaga-Wein, denn Anita hatte einen
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