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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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Gewerkschaft, und ich habe viele Dienstjahre. Ich bin schon seit siebzehn Jahren dabei, seit damals, als der alte Starr noch Küchenweckradios herstellte, bei denen Hühner die Flügel bewegen konnten, um die Zeit anzuzeigen.«
    »Ich verstehe. Nun gut, machen Sie …« Das Lämpchen an ihrem Telefon leuchtete zweimal auf; Glorias Signal, daß Peter gekommen war. Lauren stand auf. Die Frau sah sie erwartungsvoll an. »… einen Termin«, fiel ihr ein zu sagen. »Wenden Sie sich an die Dame am Empfang.«
    »Warum nicht gleich jetzt? Ich habe den ganzen Tag frei.«
    »Nein, nein. Heute habe ich leider zuviel zu tun. Nächste Woche oder nächsten Monat. Ich muß jetzt weg, entschuldigen Sie mich bitte.«
    Wanda Torrance nickte, ohne beleidigt zu sein. Sie fügte sich in ihr Schicksal. »Ich werde um einen Termin bitten.«
    Sobald sie gegangen war, eilte Lauren in Peters Büro. »Ich muß unbedingt mit Ihnen sprechen.«
    »Lauren, meine Liebe, welch eine Freude, Sie als erstes am Morgen zu sehen! Oh, wenn die Zeit doch etwas dehnbarer wäre, daß wir uns mit den wirklich wichtigen Dingen im Leben eingehender beschäftigen könnten, anstatt weiterzueilen zu den Dingen von sekundärer Bedeutung! Lauren, Lauren, fünf Minuten, meine Liebe. Ich bin ohnehin schon zu spät dran. Das haben Montage so an sich, nicht wahr, man kann nicht anders als zu spät dran zu sein. Und wir können froh sein, daß wir wenigstens einen Tag in der Woche zu spät dran sein können, ohne Schuldgefühle haben zu müssen!«
    »Peter! Ich brauche Hilfe!«
    »Meine liebe Lauren, warum sagen Sie mir, daß Sie Hilfe brauchen?«
    Sie drückte die Augen fest zu und atmete tief durch. »Hören Sie mir nur eine Minute zu, Peter! Lassen Sie mich ausreden! Ich habe Halluzinationen. Ich sehe den Mann, der letzte Woche verschwunden ist, immer wieder vor mir. Nackt.«
    Er nickte und sah auf die Uhr. Dann sagte er: »Warum erzählen Sie mir das, Lauren, meine Liebe?«
    »Wie können Sie das fragen? Ich habe Halluzinationen! Ich werde wahnsinnig! Ich kann mich in diesem Zustand an niemand anderen wenden!«
    »Warum sagen Sie das?«
    »Patienten können keinem Therapeuten mehr trauen, der seinen eigenen Wahrnehmungen nicht mehr trauen kann. Sie sollten mir bei meinem jetzigen Zustand nicht mehr trauen.«
    »Haben Ihnen das Patienten gesagt, daß Sie einem Therapeuten nicht trauen können, der seinen eigenen Wahrnehmungen nicht trauen kann?«
    »Natürlich nicht! Peter, was soll das? Warum behandeln Sie mich so?«
    »Meine liebe Lauren, ich dachte, Sie wollten über sich selbst sprechen, nicht über mich.«
    Sie starrte ihn sprachlos an, dann ging sie zum Fenster und sah hinaus in den Regen, der unaufhörlich fiel. »Sie werden mir also nicht helfen, nein?« sagte sie mit leiser, ausdrucksloser Stimme.
    »Wie könnte ich Ihnen helfen, Lauren, meine Liebe? Was erwarten Sie von mir, was soll ich für Sie tun?« Als sie nicht antwortete, fragte er: »Ist es für Sie so wichtig, keine Halluzinationen zu haben?«
    »Mein Gott, Peter«, rief sie aus. Dann fuhr sie etwas ruhiger fort: »Ja, es ist wichtig für mich.«
    »Und Sie wollen, daß ich Ihnen dabei helfe, keine Halluzinationen mehr zu haben?«
    Erschöpft nickte sie, dann drückte sie die Stirn gegen die kühle Fensterscheibe. »Ja.«
    »Nun gut«, sagte er knapp und freundlich. »Jedesmal, wenn Sie eine Halluzination haben, müssen Sie sich genau Zeit und Ort notieren, und dann müssen Sie die Zeit als Überstunden anhängen und einen Patienten mehr empfangen. So, jetzt los, Lauren, machen wir uns an die Arbeit! Wir haben beide sehr viel zu tun, es gibt so viele zerknirschte Menschen, die unserer Hilfe bedürfen, der Hilfe, die nur wir ihnen geben können. Spät ist es, spät.«
    »Und die ganze verdammte Scheißzeit regnet es«, murmelte sie, ging vom Fenster weg und verließ sein Büro.
    Im Gang sah sie, wie Rich Steinman durch den Empfangsraum flitzte. Sie rief seinen Namen und holte ihn ein, als er anhielt, wobei er sich nervös umsah, als ob er bei etwas Schändlichem ertappt worden sei, oder zumindest bei etwas Ungesetzlichem.
    »Rich, damals, an dem Abend, am Donnerstag, als die Polizei mit der Befragung anfing, hat da irgend jemand den Namen des Mannes genannt, den ich gesehen habe?«
    Sein Blick huschte so schnell hierhin und dorthin, daß er bestimmt nichts von dem Gesehenen in sich aufnehmen konnte, davon war sie überzeugt. Die Welt mußte sich seinen Augen als schattenhafter Ort voller

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