Verrückte Zeit
mußte ihr Boss sein, sagte er sich. Nicht etwa Waycross; der war den ganzen Tag beim Segeln. Ihr anderer Boss, ihr echter Boss. Sie traf ihn, und er war sauer, weil sie Corky, den Kommunisten, hatte durch die Lappen gehen lassen. Vielleicht sollte der rote Corky eine Botschaft übermitteln, die nicht angekommen war. Vielleicht steckte sie irgendwo in seinen Sachen, als etwas Harmloses getarnt, das ihr hätte übergeben werden sollen, was nicht geschehen war. Morgen würde er den ganzen Schrott noch einmal durchsehen. Vielleicht hatte ihr der Boss auch eine Ohrfeige verpaßt, weil sie behauptet hatte, Kommunistencorky hätte sich in einer blauen Rauchwolke aufgelöst. Er nickte. Das paßte. Er kannte das Gefühl, das man hatte, wenn etwas paßte. Er nickte wieder.
Sie war ein kleiner Fisch, der einem größeren Fisch Bericht erstattete, der seinerseits den Bericht weitergeben mußte, bis er schließlich zu einem Fisch gelangte, der groß genug war, um die Zusammenhänge zu begreifen. Und er, T.H. Musselman, hatte das Netz bereit. Mehr Leute. Er brauchte mehr Leute. Die Steele durfte keine Sekunde aus den Augen gelassen werden, es durfte keine Begegnungen mit ungesehenen Mittelsmännern mehr geben, sie durfte der Beobachtung keinesfalls mehr entschlüpfen. Er wußte, daß ihn Washington ersetzen würde, sobald bekannt würde, daß dies die größte Geschichte des Jahres werden würde, vielleicht sogar des Jahrzehnts oder aller Zeiten. Er mußte die Fäden in der Hand behalten, mußte sich absolut unentbehrlich machen, er, der einzige, der alle Einzelheiten kannte, dem jede Nuance auffiel, genau der zu sein hatte er die Absicht. Und er hatte bestimmt nicht die Absicht, nach San Diego zu fahren und zuzusehen, wie irgendwelche Clowns die Aufhebung der Schwerkraft demonstrierten.
Er goß sich noch einen Gutenachtdrink ein und wiegte ihn in der Hand, während er über die wunderbaren Pfade des Schicksals nachdachte. Er würde doch noch als General pensioniert werden, herrje!
Als Trigger Happy am Montag erfuhr, daß die ganze Belegschaft der Waycross-Klinik einer routinemäßigen Sicherheitsuntersuchung unterzogen wurde, nickte er nur; er war nicht überrascht. Deshalb war die Steele in die Klinik eingeschleust worden, um dabei zu sein, wenn sie die Firma Caldwell Corporation durchleuchteten. Das paßte.
Zur gleichen Zeit, da er die Berichte durchsah, saß Lauren an ihrem Schreibtisch einer Patientin gegenüber. Mrs. Wanda Torrance war vierzig, grau und müde, bekleidet mit einem pastellblauen Hosenanzug, der schon seit mehreren Jahren aus der Mode war.
»Ihr Abteilungsleiter hat also angeregt, daß Sie einer Prüfung unterzogen werden sollen. Habe ich das richtig verstanden?« fragte Lauren. Sie sah andauernd auf die Uhr, ungeduldig darauf wartend, daß Peter käme, und war kaum in der Lage, sich auf diese Frau und ihre Probleme zu konzentrieren.
»Als ich um eine Versetzung gebeten habe, sagte er mir, daß das nur ginge, wenn ich zuerst eine Prüfung über mich ergehen lasse. Sie können mich nicht einfach in eine andere Abteilung schicken, sagte er.«
»Wollen Sie damit andeuten, daß manchmal auch anders verfahren wird?« Es war Viertel nach neun. Peter kam zu spät, verdammt! Gloria, die Sekretärin, hatte versprochen, daß sie Lauren sofort anläuten würde, sobald er erschiene. In der Zwischenzeit plapperte die Frau immer weiter.
»Genau. Als Bettyann Wilsan versetzt werden wollte, hat niemand etwas von einer Prüfung gesagt. Er hat sie einfach mit zu sich ins Büro genommen, und kurz darauf sitzt sie im Schreibbüro.«
Zu spät merkte Lauren, daß sie dran war. Sie warf einen Blick auf die Mappe vor sich. »Mrs. Torrance, was ist Ihr Beruf? Welche Arbeit machen Sie?«
»Tag für Tag, von morgens bis abends, stecke ich ein Dingsbums in ein anderes Dingsbums, unter einem Vergrößerungsglas mit diesem Durchmesser.« Sie zeigte ihn mit beiden Händen. »Bei greller Beleuchtung. Am Fließband.«
»Ich verstehe. Und welche Arbeit schwebt Ihnen vor?«
»Irgend etwas anderes. Kundenbetreuung, Versandabteilung, Reklamationsbearbeitung. Irgend etwas Kreatives. Ich habe Kurse besucht – Malen, Dichten, Schreiben. Es gibt vieles, was ich statt dessen tun könnte.«
Lauren nickte. Irgend etwas anderes, dachte sie. Das war richtig, genauso fühlte sie sich auch. »Nun, ich habe den Eindruck, Ihre Firma ist nicht abgeneigt, wenn sie Ihnen eine Prüfung vorschlägt …«
»Hah! Es gibt schließlich eine
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