Verrückte Zeit
machen, sie dann zu analysieren und sich zu heilen. Bald brannte das Feuer hell lodernd; er zog seine Kleidungsstücke aus der Einkaufstüte, riß die Preisschildchen ab und schleuderte sie irgendwohin. Sie hatte den Eindruck von Wut, von zornigen Bewegungen. Die Kleidungsstücke verschwanden im Schlafzimmer und die Tür fiel krachend zu. Jetzt konnte sie sich wieder bewegen. Sie ging an die Tüte mit Lebensmitteln, holte eine Flasche Wein, einen runden Laib Käse und Brot und Butter heraus und stellte alles auf den Tisch vor der Couch in der Nähe des Feuers. Sie holte das Tonbandgerät zum Tisch und schaltete es wieder ein.
Corky stakste ins Zimmer, mit abstehendem roten Haar, wie eine Pusteblume, und runden blauen Augen, die empört und wütend blickten. »Welche Erklärung hast du für das Feuer?« fragte er. »Deine Hände sind nicht die Spur dreckig. Du weißt nicht einmal, wo der Holzstapel ist.«
»Durch den krankhaften Verdrängungsmechanismus«, sagte sie und blickte nachdenklich in die Flammen, »sind die Patienten fähig, sich selbst im Hinblick auf ihre Handlungen etwas vorzumachen, bis zu einem Grad, da sie diese vollkommen leugnen, und das tun sie mit Fug und Recht, da sie sich nicht daran erinnern.«
»Das ist ja verrückt!«
»Genau.«
Das Donnern der Brandung und das Knistern des Feuers waren die einzigen Geräusche. Lauren zog die Stiefel und Socken aus und streckte die Füße zum Feuer hin. Sie hatte nicht über ihre Kleidung nachgedacht, hatte sich einfach warm angezogen, und jetzt war es ihr zu warm, da sich die Hitze in dem kleinen Haus schnell ausbreitete. Corky saß an die Couch gelehnt am Boden, auch er sah ins Feuer. Bald würde es hier zu heiß werden, sie müßten die Couch ein wenig zurückschieben. Er streckte die Hand an ihr vorbei, nahm sich eine Scheibe Brot, bestrich sie mit Butter, und legte Käse darauf. »Keine Zwiebeln?«
»Ich mag keine Zwiebeln auf Käse.«
»Ich schon.« Sie hatte nur ein Glas für den Wein mitgebracht. Er stand auf und holte noch eins, dann schenkte er für sie beide ein. Er fing an zu essen, dann sagte er mit vollem Mund: »Wenn ich dich jetzt an einer Stelle schlagen würde, die du selbst nicht erreichen kannst, und ein Mal zurückbliebe, das die anderen sehen können?«
»Psychisch Kranke fügen sich oft selbst schreckliche Verletzungen zu, und zwar auf eine Art und Weise, die unmöglich erscheint. Offene Wunden, Hautausschläge, sogar Fieber können die Folge sein.« Sie nahm einen tiefen Schluck von ihrem Weinglas.
»Und wenn ich mit dir schlafen würde?«
»Autoerastie«, sagte sie achselzuckend. »Auch ein wohlbekanntes Symptom.«
»Und wenn du schwanger würdest?« fragte er, wobei seine Wut wieder an die Oberfläche stieg. Er war verwirrt. Es schien keinen Weg zu geben, ihr seine Existenz zu beweisen; sie hatte für alles eine Erklärung.
»Es gibt jede Menge Literatur über Scheinschwangerschaften. Manchmal bringen die Frauen sogar Babies zur Welt, natürlich Babies, die außer ihnen niemand sehen kann.«
Er goß ihr Wein nach. »Du solltest etwas essen«, sagte er, während er eine Scheibe Brot mit Butter bestrich.
»Ich esse doch«, sagte sie erschöpft.
Er sah sie eindringlich an, dann verließ ihn für einen Moment aller Mut. Es mußte einen Weg geben, zu ihr durchzukommen, doch er konnte ihn nicht finden. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte er. »Ich werde dich nicht schlagen, und auch nicht mit dir schlafen .«
»Davor habe ich keine Angst«, sagte sie spitz. »Ich leide nicht unter dieser Art von psychischem Zusammenbruch. Erotismus ist nicht mein Problem.«
»Meins auch nicht«, sagte er vergnügt. Er berührte ihre Zehen, die jetzt sehr warm und rosa waren. »Bißchen wärmer?«
Sie schüttelte den Kopf, dann nickte sie heftig. »Ja, meine ich. Das Feuer ist sehr angenehm.«
»Und der Boden ist sehr hart«, sagte er und stand auf, um sich auf die Couch zu setzen, ohne sie zu berühren. Er mußte sich vor ihr zum Tisch beugen, um an den Käse zu kommen.
Sie beobachtete, wie seine Hände sich auf sie zu bewegten, an ihrem Körper vorbei, und sie dachte: Hier sitze ich mit einem Mann – der Erscheinung eines Mannes – und unterhalte mich über Dinge wie Erotismus. Sie war nie fähig gewesen, mit jemandem über Sex zu sprechen, außer wenn es ihr Beruf mit sich brachte, oder in dem pseudointellektuellen Geschwafel, das Collegestudenten einfach nicht lassen konnten. Doch das zählte beides nicht. Sie dachte
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