Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
Vom Netzwerk:
Harfenmusik und die Stimmen eines Kinderchors in der Ferne, und ein ewiger Sonnenuntergang und Mondaufgang gleichzeitig.
    Sie betrat das Wohnzimmer, sah mit keinem Blick in seine Richtung, sondern ging sofort zum Couchtisch und schaltete das Tonband ein.
    »Ein Teil meines Problems scheint seinen Ursprung in unterdrückter Sexualität zu haben«, sprach sie.
    Er starrte sie fassungslos an.
    »Nach meiner Rückkehr in die Stadt werde ich sobald wie möglich meinen Widerstand gegen die sexuelle Befriedigung durch Morris aufgeben.«
    »Du wirst keine Befriedigung durch diesen Nichtsnutz bekommen«, brüllte Corky sie an. Er drehte die Steaks um, kochend vor Zorn.
    »Er versteht meine Bedürfnisse vielleicht besser, als ich selbst sie bisher verstanden habe«, fuhr sie fort und achtete nicht auf Corky. »Es war bereits bei unserer ersten Begegnung offensichtlich, daß er mich begehrte, und das war zweifellos der Auslöser für diese kleine Krise. Ich habe keine Erfahrung mit Männern, die keinen Hehl daraus machen, daß sie mich begehren. Ich hatte Angst vor ihm, auf eine Art, wie ich noch nie vor einem Mann Angst gehabt habe. Zum erstenmal bin ich einem Mann begegnet, der mir möglicherweise intellektuell und körperlich entspricht. Ich muß das akzeptieren und es genießen.«
    »Komm jetzt, und iß was!« brüllte Corky; er knallte die Kartoffeln auf die Teller und spießte die Steaks aus der Pfanne. Er brummte vor sich hin, als sie sich zu ihm an den Tisch setzte. Sie hatte das Tonbandgerät dabei.
    »Du hast für all das hier eine Erklärung, nehme ich an«, fauchte er. »Und dafür, daß wir den ganzen Nachmittag gebumst haben. Du hast in deinem ganzen Leben noch nicht so schön ausgesehen, weißt du das?« Sie machte sich daran, ihr Steak kleinzuschneiden und sah dabei ihr Besteck an, nicht ihn. »Yeah, krankhafter Verdrängungsmechanismus. Dadurch vergißt man Dinge. Yeah.«
    Er machte sich über sein Essen her, und eine Zeitlang sprach keiner von beiden. Sie waren beide wütend.
    »Du hast bestimmt in deinem ganzen Leben noch nie an einem Tag so viele Orgasmen gehabt, möchte ich wetten«, sagte er schließlich.
    »Manchmal nicht einen einzigen. Ich dachte, das läge daran, daß ich das nicht brauchte. Ich weiß, daß es manche Frauen nicht brauchen. Ich hatte das akzeptiert. Ich dachte, ich wäre zu nervös dazu, hätte zuviel Angst, was die Männer von mir halten würden, von meiner Größe, der Größe meiner Füße. Ich war zu Eis erstarrt. Jetzt, nachdem ich mich selbst laut kritisiert habe, brauche ich mich nicht mehr vor Kritik zu fürchten.«
    »Herrje! Ich bin hier, Lauren! Sieh mich doch an! Ich bin genauso hier wie du!«
    Sie blickte an ihm vorbei, durch ihn hindurch, über ihn hinweg, nur nicht ihn an, und sie sprach weiter aufs Tonband, wobei sie die Worte deutlich artikulierte:
    »Ich begreife«, sagte sie, während sie zwischendurch weiterkaute, »daß das erst der Anfang ist, doch es ist eine so weitreichende Erkenntnis, daß ich die Hoffnung habe, die weitere Entwicklung wird beschleunigt verlaufen.«
    Corky knallte seine Gabel auf den Teller. »Sieh mich doch an! Tu doch wenigstens so, als ob du mich sähest! Was muß ich tun, damit du an mein Vorhandensein glaubst?«
    Endlich sah sie ihm ins Gesicht, und ihr Blick war freundlich. »Wenn ich an dein Vorhandensein glaubte, würde ich versuchen, dir zu helfen. Du hast ein ernsteres Problem als ich. Dein Benehmen ist absolut unerträglich. Du kannst nicht einfach hereinschneien und wieder verschwinden, wie es dir beliebt, dich in einer Sekunde unsichtbar machen und in der nächsten vollkommen nackt vor den Augen der Leute erscheinen. Dieses Verhalten entspricht nicht der Norm, muß ich dir leider sagen.«
    »Ich kann nichts dafür.«
    »Warum meinst du, daß du nichts dafür kannst.«
    Er sah jetzt verbittert aus. »Du weißt genausogut wie ich, was mit mir passiert ist.«
    »Ich dachte, wir wollten über dich sprechen«, sagte sie liebenswürdig, »nicht über mich.«
    »Warum über mich?« fragte er. »Ich bin für niemanden eine Bedrohung.«
    Eine Bedrohung? Betrachteten sie die Leute als Bedrohung? Sie hörte sich selbst mit mehr Aufmerksamkeit zu, froh darüber, daß sie das Tonband angeschaltet hatte. »Weiter«, sagte sie. »Warum sagst du, daß du für niemanden eine Bedrohung bist?«
    »Weil ich ein Niemand bin! Ich habe kein Geld, keine gesellschaftliche Stellung, keine Macht. Ich bin keine psychische Bedrohung. Ich bin ein Feigling, und

Weitere Kostenlose Bücher