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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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abgesehen von einem gelegentlichen heftigeren Klatschen gurgelte das Meer beruhigend vor sich hin, und der Regen tropfte gleichmäßig aufs Dach. Im Innern war es behaglich und sicher und warm. »Ich kann meine Hemmungen für eine gewisse Zeit überwinden«, fuhr sie mit ihrer Tonbandaufnahme fort. »Ich durchschaue die verschiedenen Arten der Unterdrückung, die zu einem vorübergehenden Bruch in meinem üblichen Verhaltensmuster geführt haben, das meiner Rolle, die ich derzeit im Berufsleben spiele, besser angemessen ist. Vielleicht habe ich auch Verhaltensmuster aus meiner Jugend mit ins Erwachsenendasein übernommen, und nun habe ich eine Methode gefunden, wie ich mit dieser Tatsache umgehen kann.«
    Corky beobachtete sie gequält. »Wie gesagt«, murmelte er, während er aufstand, um Kaffee zu machen, »du bist überhaupt nicht mein Typ. Erklärungen für alles und jedes, und die Erklärungen sind nichts als warme Luft.«
    Er setzte den Kaffeekessel mit Wucht auf, planschte mit dem Wasser herum, machte ringsum Unordnung und murmelte dabei ständig vor sich hin. Sie beachtete ihn nicht, sondern sprach weiterhin auf das Tonband. »Der wahrscheinliche ursächliche Auslöser«, sagte sie ruhig, »ist ein Tumor in der rechten Gehirnhälfte, der die Hirnrinde im Bereich des visuellen Wahrnehmungsvermögens bis zu einem gewissen Grad beeinflußt, ebenso liegt mit Sicherheit eine Beeinflussung des Neocortex vor …«
    »Lauren, hör doch mit diesem Quatsch auf!« Er setzte sich wieder hin und nahm ihre Hand. »Laß uns über den Abend reden, an dem ich dich zum erstenmal gesehen habe. Erinnerst du dich? Ich saß mit einer … einer Freundin in einem Restaurant, als du hereinkamst. Ich wollte dich zeichnen, und bin dir in dein Büro gefolgt. Erinnerst du dich? Was geschah dann?«
    Sie nickte billigend. »Ja, dieser Abend war der Auslöser für die Krise, die sich allerdings seit langer Zeit aufgebaut haben mußte.«
    »Was geschah damals?« fragte er fast flehentlich und verstärkte seinen Griff um ihre Hand.
    »Ein Mann stieg mit mir in den Aufzug. Natürlich, er sah dir sehr ähnlich. Eigentlich sah er genau aus wie du, könnte man sagen. Er folgte mir weiter, als ich in meinem Stockwerk ausstieg, und als ich ihn unwirsch ansah, machte er eine Bewegung, als ob er sagen wollte …« Sie löste ihre Hand aus seiner und deutete die Händehoch-Geste an. »Na ja, so eben, und er verdrückte sich ans Fenster am Ende des Gangs. Als ich an der Abzweigung des Gangs angekommen war, drehte ich mich um, um zu sehen, ob er immer noch da war, und im selben Augenblick verschwand er in einer blauen Rauchwolke.«
    Sie runzelte die Stirn und blinzelte nachdenklich. »Nein, das stimmt nicht ganz. Es gab keinen Rauch. So hat es die Polizei später formuliert. Ich habe nur einen Mann gesehen, der blau aufglühte und gleich darauf verschwand, ohne seine Kleidung mitzunehmen. Sie blieb am Boden liegen.« Sie nickte zur Bekräftigung ihrer Geschichte, so stimmte die Sache. Sie fügte nur noch hinzu: »Und seither erscheint er mir immer wieder in Halluzinationen.«
    »Herrje!« sagte er hilflos.
    »Dann sagte der dicke Polizist, ich hätte das Ganze mit dem verschwundenen Mann geplant. Für die Versicherung oder so.«
    »Er ist kein Polizist«, sagte Corky. Er stand auf, um den Kaffee zu holen, brachte ihn mit und goß für sie beide ein. »Er ist in der Armee, ein Colonel. Toler Harris Musselman. Trigger Happy. Er möchte gern General werden.«
    »Woher …?« Sie hatte gleich den Eindruck gehabt, daß er etwas Militärisches an sich hatte, wie sie sich jetzt erinnerte, sie hatte einfach nicht bewußt den naheliegenden Schluß gezogen. Doch jetzt war es ihr ganz klar.
    »Das erklärt noch nicht allzuviel«, sagte Corky. »Aber im Moment ist es alles, was wir wissen. Trigger Happy ist hinter dir her, weil er glaubt, du wüßtest etwas darüber, was geschehen ist, und du gehörtest zu einem Spionagering. Mich hält er für einen kommunistischen Spion. Ich konnte unseren Anhang heute abschütteln, aber inzwischen wissen sie wahrscheinlich schon wieder, daß du dich hier in diesem Haus aufhältst. Du hast auf der ganzen Strecke deine Kreditkarten benutzt, und du mußtest dein Kennzeichen angeben, als du uns hier angemeldet hast. Sie können dich also leicht finden, wenn sie wollen.«
    Sie war sehr blaß geworden. Jetzt nippte sie an dem zu heißen Kaffee. Ihre Hände zitterten. »Die ganze Palette an Wahnvorstellungen«, sagte sie und stöhnte

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