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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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auf. »Klassische Paranoia, Verfolgungswahn, vermutete Verschwörung, alles da. O Gott!«
    In höchster Erregung schrie Corky: »Ich bin wirklich, verdammt noch mal! Irgend etwas haben sie mit mir gemacht. Ich verliere das Bewußtsein, offenbar verschwinde ich dann und erscheine irgendwann wieder, aber manchmal nicht vollständig, und wenn ich unsichtbar bin, kann ich anscheinend überall zur gleichen Zeit sein. Ich weiß nicht wie oder warum, aber so ist es!«
    Sie schloß die Augen und nickte.
    »Es ist, als ob ein Muskel an mir aktiviert worden wäre, den ich immer schon hatte, von dem ich aber bisher nichts wußte«, fuhr er mit einem erstaunten Unterton in der Stimme fort. »Ich kann diesen Muskel jetzt benutzen und mich zum Verschwinden bringen, und ich kann in einem bestimmten Stadium stehenbleiben, in dem ich durch Wände gehen und mich überall nach Belieben hinbegeben kann, doch wenn ich darüber hinaus bin, dann verliere ich das Bewußtsein. Dann weiß ich nicht mehr, was mit mir geschieht.«
    »Warum bist du zu mir zurückgekommen? Ich kannte dich doch gar nicht.«
    »Ich weiß nicht, warum. Ich hatte den Eindruck, daß du mich gerufen hast. Ich habe es mit anderen Leuten probiert, aber die wollten mich offenbar nicht haben, während es bei dir anders zu sein schien. Ich dachte, du könntest mir Halt geben, einen Ankerplatz sozusagen. Ich weiß nicht. Ich schwebte irgendwo herum und erinnerte mich an dich. Ich nannte dich Minerva, meine Göttin …«
    Sie gab einen kehligen, halberstickten Laut von sich, und er hielt verstört inne. »Das auch noch«, flüsterte sie, »jetzt bezeichne ich mich auch noch selbst als Göttin! Sogar das fehlt nicht!«
    Er wußte nicht mehr, was er noch sagen sollte. Er ging zu ihr und nahm sie in die Arme, und sie klammerten sich fest aneinander.
     
    Sie spülte das Geschirr ab, während er noch weiteres Kaminholz hereinholte, und dann setzten sie sich ins Wohnzimmer. Hin und wieder sprach sie eine Bemerkung auf Band, doch es waren nur kurze Kommentare ohne eigentlichen Inhalt. Er saß neben dem Kamin, von wo er sie gut im Blick hatte, und fertigte eine Skizze nach der anderen von ihr an.
    Sie nahm einen Stift und schrieb ins Notizbuch: Trigger Happy Musselman – Toler Harris Musselman. Der Name sagte ihr nichts. Sie legte den Stift aus der Hand und starrte trübsinnig ins Feuer. Nach einer Weile ließ sie das Tonband wieder laufen.
    »Mein Vater war enttäuscht, daß ich ein Mädchen war«, sagte sie. »Er hat es mir nie ausdrücklich gesagt, aber das war auch nicht nötig. Ich war das dritte Mädchen, und ich hätte ein Junge werden sollen. Das wußten wir alle. Ich bin größer als mein Vater.« Sie warf einen Blick zu Corky hinüber, der gerade eine Seite in seinem Skizzenbuch umschlug. »Da du nun schon mal hier bist, könntest du auch deinen eigenen Lebenslauf entwerfen. Ich gebe dir ein leeres Blatt dafür.«
    Seine Hände flogen über das Papier, während er zeichnete. »Schon mal was von Johnny Corcoran und seinem Pferd Strandgut gehört?« Sie schüttelte den Kopf, und er zuckte die Achseln. »Ich wette, du kennst dich nicht im Pferderennsport aus. Jedenfalls, mein Vater war bis vor zehn Jahren Jockey. Ein guter Jockey. Gewinner im Kentucky-Derby, einmal Jockey des Jahres.« Sie machte ein ausdrucksloses Gesicht, und er seufzte. »Er war berühmt. Er hat immerhin die drei größten Rennen des Landes gewonnen. Dabei hat er ein kleines Vermögen verdient. Dann erlitt er eine Verletzung, und jetzt arbeitet er als Pferdetrainer und reitet nicht mehr selbst. Ich war zu groß, um Jockey zu werden, und nicht groß genug für irgend etwas anderes. Mein Bruder Timmy reitet auch.«
    Er redete und zeichnete und erzählte ihr Dinge, die er noch nie jemandem erzählt hatte. Von den vier Ehefrauen seines Vaters, eine jünger und schöner als die andere. Jede noch habgieriger als die vorige. Sein Vater hatte immer wieder eine Menge Geld verdient, und jedesmal hatten es seine Frauen bei der Trennung mitgenommen. Er war nicht verbittert darüber, so war es nun mal, man konnte nichts daran ändern. Er erzählte ihr, daß er nie ein ganzes Jahr lang an ein und derselben Schule verbracht hatte. New York State, Kentucky, Virginia, Maryland, Texas. Hialeah war eine der schönsten Bahnen, sagte er, aber wichtiger war, das Kentucky-Derby zu gewinnen, um in die Annalen des Pferderennsports einzugehen.
    »Wo ist deine Mutter?« fragte Lauren.
    »Weiß nicht. Sie bekam die Moneten, er die

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