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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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schnappen.«
    »Psst«, sagte er leise. »Bestell mir ein Sandwich mit chinesischem Schweinefleisch. Und ein Glas Milch, bitte!«
    Die Kellnerin stand an ihrem Tisch und sah sie auffordernd an. Lauren tat so, als ob sie noch in die Speisekarte vertieft wäre. Sie konnte nicht gut zwei Sandwiches bestellen, dachte sie, und sagte, ohne noch einmal aufzublicken: »Krabbensalat und Kaffee und ein Sandwich mit chinesischem Schweinefleisch und ein Glas Milch.«
    »Erwarten Sie jemanden?« fragte die Kellnerin darauf. »Soll ich ein zweites Gedeck auflegen?«
    »Nein. Ich bin … es ist alles für mich.«
    »Aha. Wollen Sie den Kaffee später?«
    »Nein, jetzt gleich«, sagte Lauren, der Verzweiflung nahe. »Während ich auf die anderen Sachen warte.«
    Die Kellnerin nickte und ging davon, und Lauren sagte wütend, mit unterdrückter Stimme: »Deinetwegen wirke ich wie eine Blöde! Warum bist du zurückgekommen? Warum verschwindest du nicht einfach, gehst nicht irgendwohin, ganz weit weit weg, um dort zu bleiben?«
    »Ich weiß nicht, warum«, antwortete er. Und noch leiser fügte er hinzu: »Sie haben so ein Ding, mit dessen Hilfe kann man Leute auf einem Bildschirm sehen. Es funktioniert so ähnlich wie Radar. Sie verfolgen dich damit. Das bedeutet, daß sie über mich Bescheid wissen.«
    »Du hast doch nichts verbrochen, warum gehst du nicht einfach zur Polizei, zu einem Arzt oder irgend jemandem, der dir helfen kann? Vielleicht können sogar sie, die vom FBI, dir helfen.«
    »Die wollen mich in kleine Stücke schneiden, um zu sehen, was mich sichtbar und unsichtbar macht.«
    Die Kellnerin brachte den Kaffee und stellte ihn vor sie hin, dann beugte sie sich vor und fragte: »Miss, geht es Ihnen gut?«
    »Sehr gut!« antwortete Lauren schnell. »Ausgezeichnet. Ich … ich probe den Text für meine Rolle. Morgen ist die Erstaufführung, wissen Sie.« Sie wußte, daß sie zu aufgedreht war, zu fröhlich. »Ein bißchen nervös, nehme ich an. Aber mir geht es gut, danke.«
    Die Kellnerin warf ihr noch einen zweifelnden Blick zu, zuckte die Achseln und entfernte sich wieder. Lauren sank gegen die Rückenlehne ihrer Bank. Sie sah, wie sich ihr Kaffee sehr langsam bewegte, und sie streckte schnell die Hand danach aus, um ihn an eine Stelle zu schieben, wo er ihn gut erreichen konnte. Sie fühlte, daß er sehr dicht bei ihr war. Sie zitterte, stützte sich mit den Ellbogen am Tisch ab, faltete die Hände vor sich und legte das Gesicht darauf, um ihn so gut wie möglich abzuschirmen, während er den heißen Kaffee trank. Er rückte noch näher an sie heran, und sie schloß die Augen und atmete tief durch.
    »Du mußt verschwinden«, sagte sie sehr leise. »Sie dürfen dich nicht erwischen. Nach einigen Wochen werden sie dieser Spielchen müde werden und dich in Ruhe lassen.«
    »Ich kann nicht«, sagte er ebenso leise. Die Tasse wurde angehoben, geneigt und wieder auf den Tisch gestellt. »Wenn sie glauben, mich verloren zu haben, werden sie dich mit endlosen Verhören quälen.«
    »Aber das ist es ja. Ich habe nichts getan. Niemals. Selbst wenn sie mich mit allen Mitteln ausquetschen, was könnte ich sagen? Sie können mir eigentlich nichts antun.«
    Er berührte ihre Haare, dann ihre Wange. Was sie ihr antun könnten, dachte er, wäre, sie zu zerbrechen, und dazu würden sie möglicherweise Morris Pitts einsetzen. Wenn sie ihm gegenüber zu mißtrauisch würde, könnten sie sie einliefern und sie wegen eines Nervenzusammenbruchs behandeln lassen, wofür es eine allzu einleuchtende Erklärung gäbe. Gespräche mit nackten unsichtbaren Männern waren der sichere Weg ins Krankenhaus und zu Psychopharmaka und zu weiß Gott was allem. Er sagte nichts von seinen Gedanken. Die Kellnerin brachte ihr Essen und füllte die Kaffeetasse neu. Als sie wieder weg war, sagte er: »Ich möchte, daß wir zusammen sind, Lauren. Und ich brauche einen geschützten Ort, wo ich nicht friere, wo ich nachdenken kann. Hast du eine Idee?«
    Sie nahm einen Happen von ihrem Salat und überlegt. Ihr Apartment kam nicht in Frage. Bestimmt hatten sie dort auch eins von ihren Beobachtungsgeräten angebracht oder würden bald eins anbringen. Sein Apartment war ebenso ungeeignet, aus dem gleichen Grund. Sie sah nicht hin, als sich sein Sandwich hob und verspeist wurde. Das wäre zuviel gewesen.
    Sie dachte angestrengt nach, während er aß. Sie war zu auffällig, um unbemerkt bleiben zu können, das war das Problem. Kein Flugzeug, kein Zug, kein Bus, kein Taxi.

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