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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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Die Leute würden sich stets an sie erinnern. Auch ihr eigener Wagen nicht; ein leuchtend gelber Toyota! Er besaß nicht einmal ein Auto, ihm hatte sein Fahrrad genügt! Er hörte auf zu kauen. Sein Fahrrad. Okay, aber wohin? Zum erstenmal wäre es ihm recht gewesen, wenn sie etwas kleiner gewesen wäre, nicht so auffällig. Selbst auf einem Fahrrad würde sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wahrscheinlich noch mehr, als wenn sie zu Fuß ginge. Die Leute blickten Frauen auf Fahrrädern nach. Wenn sie ein Mann wäre – er stellte fest, daß er nickte. Sie mußte es als Mann versuchen. Das war der Ausgangspunkt für eine ganze Reihe von neuen Gedanken, die sich in seinem Kopf aneinanderreihten, und vor ihm tauchte das Bild einer Fischerhütte auf einer Insel auf, wo er mit Joanna einmal gewesen war. Sie gehörte ihrem Vater. Es gab tausend Inseln da draußen. Diese war nur ein Punkt auf der Landkarte. Niemand würde im Februar dort sein, davon war er überzeugt.
    »Hallo«, sagte ein schwaches Stimmchen dicht an Laurens Ohr. Als sie sich umdrehte, sah sie einen kleinen Jungen in der Nische hinter ihr, offenbar auf der Bank stehend. »Haben Sie einen Hund?«
    »Nein.«
    »Ich füttere meinen Hund unter dem Tisch. Sein Name ist Großmaul. Wie heißt Ihrer?«
    »Ich habe keinen. Solltest du dich nicht wieder hinsetzen und weiteressen?«
    »Ich geb’ ihm das ganze Zeug, das ich nicht mag, und er frißt es alles.«
    Seine Haare sahen aus wie Maisfasern, seine Augen waren groß und dunkel, seine Nase mit Sommersprossen gepfeffert, und er wußte ganz genau, daß sie ihren Hund unterm Tisch fütterte. Er betrachtete Corkys Teller, von dem das Sandwich verschwunden war, und das Glas Milch, das graziös drei oder vier Zentimeter über der Tischplatte tanzte. Langsam senkte es sich auf den Tisch. Der kleine Junge grinste. »Mein Hund kann auch Kunststückchen. Er kann auf den Hinterbeinen stehen und laufen.«
    Corky brummte, und der Junge lachte. Das Gesicht eines Mannes erschien neben dem des Jungen. Er war ebenfalls blond und sommersprossig. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte er, während er Lauren und ihren Tisch ansah. »Komm jetzt, Skip, laß die Dame in Ruhe! Hast du Lust auf Eis?«
    Skip sank aus dem Blickfeld. Lauren hörte, wie er seinem Vater erzählte, daß die Dame ihren Hund unterm Tisch fütterte, genau wie er es zu tun pflegte. Der Mann schmunzelte und bestellte Eis.
    Dann flüsterte ihr Corky ins Ohr: »Bestell Kaffee und beweg dich nicht vom Fleck, bis ich zurückkomme, okay?«
    Sie nickte, und er war wieder verschwunden. Ihre Nische war sehr kalt und einsam geworden. Sie versuchte, sich etwas einfallen zu lassen, wo sie für ein paar Tage hingehen und nachdenken könnten. Peter hatte ein Ferienhäuschen in den Bergen, aber sie wußte nicht einmal genau, wo. Sie hatte ein paar Bekannte hier, keine echten Freunde, niemand, an den sie sich mit der Bitte um einen Gefallen wenden könnte, jedenfalls keinen dieser Art. Ach übrigens, ich befinde mich auf der Flucht, kann ich mir für ein paar Tage Ihr Haus ausleihen? Es war ihr Fehler. Sie war an allem schuld; es war ihre Aufgabe, die Dinge wieder ins rechte Lot zu bringen, fügte sie in einem Anflug von moralischer Einsicht hinzu.
    Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Corky zurückkam; er war etwas außer Atem. »Zurück in deine Wohnung«, sagte er und zitterte dabei neben ihr. »Vertraust du mir?«
    Sie nickte ohne Zögern. »Okay. Ich möchte dich für ein paar Tage mitnehmen. Pack einige warme Sachen ein, für mich auch, und unsere Zahnbürsten.« Sie glaubte, ein Lachen in seiner Stimme zu hören, und sie lächelte ebenfalls schwach, da sie sich an andere Zeiten erinnerte. »Ich rufe dich an. Ich werde das Telefon dreimal klingeln lassen, dann auflegen und gleich darauf noch einmal anrufen. Du wirst beim ersten Klingeln abheben. Ich werde nur etwas sagen wie ›alles in Ordnung‹ und wieder auflegen. Ich möchte, daß sie denken, du hättest ein Zeichen bekommen. Dann gehst du hinunter, steigst in dein Auto und fährst auf der Interstate 5 nach Norden. Ich werde zu dir kommen, sobald ich kann. Hast du alles mitbekommen?«
    Sie nickte wieder, und diesmal hielt es die Kellnerin für ein Zeichen, daß sie die Rechnung wünschte. Sie brachte sie, wobei sie Lauren mißtrauisch ansah; sie wartete, bis Lauren den Mantel angezogen und die Nische verlassen hatte, bevor sie sich abwandte.
    Lauren ging schnell nach Hause zurück, ohne auf irgend jemanden auf der

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