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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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ihr selbst von Anfang an vorgekommen war. Vielleicht war es immer noch der gleiche Wahnsinn, und sie wurde langsam von ihren eigenen Sinnestäuschungen mit einbezogen, ohne fähig zu sein, aus dem Rahmen herauszutreten. Es waren viele Menschen auf dem Bürgersteig, auf dem Weg zum Essen oder davon kommend und in die Geschäfte drängend, die freitags abends länger geöffnet waren. Genau in diesem Moment, das wußte sie, folgte ihr wieder jemand, jemand, den sie nicht ausmachen konnte; vielleicht die Frau in dem langen weißen Mantel, die so tat, als schlendere sie an den Schaufenstern entlang. Oder der Mann in Jeans und einer verwaschenen Jacke – ein Wissenschaftler, wenn nicht gar ein Spion. Vielleicht beides. Oder der grobschlächtige Mann im schwarzen Anzug, der ein so überaus finsteres Gesicht machte. Sie senkte den Kopf wieder; sie hätte es nicht sagen können. Morris hatte einen Blick für solche Dinge, deshalb hatte er den anderen sofort erkannt.
    Sie blieb zögernd vor einer Telefonzelle stehen. Sie war sich noch nicht schlüssig, wieweit sie Morris einweihen wollte, was sie ihm genau sagen sollte. Sie war während des Gehens zu verwirrt, um sich zu entscheiden. Dort war Hilda’s Café, wo Corky sie seiner Erzählung nach zum erstenmal gesehen hatte, damals an jenem Abend, der Jahrzehnte zurückzuliegen schien, ja ein ganzes Leben, als ihr einziges Problem darin bestand, wie sie Peter Waycross dazu bewegen könnte, ihr eine sinnvollere Arbeit in seiner Klinik zu geben. Und dieses Problem war immer noch ungelöst, dachte sie bitter. Offenbar war sie unfähig, irgendeins ihrer Probleme zu lösen. Entschlossen drehte sie um, betrat das Café und ging auf eine der Nischen zu, diesmal eine besonders düstere. Sie wollte nicht lesen, sie wollte nachdenken. Und essen, dachte sie und schnupperte hungrig in die Luft.
     
    Corky sah Musselman, der vor dem Fernsehgerät saß, und beobachtete den Schwenkarm des kleinen Monitors, fasziniert, was dieser alles konnte. Er fand auf der anderen Straßenseite, gegenüber von Laurens Apartment, den Sergeant, ebenfalls mit einem Bildschirm, und er hörte, wie der Sergeant jemandem am Telefon berichtete, daß sie sich bewegte. Er fand Lauren wieder, und vier Personen, die, da war er sicher, sie beobachteten, mindestens vier. Vorsichtig umkreiste er den Bereich, ohne jetzt schon einen festeren Körper anzunehmen. Er wurde auf einen vorbeifahrenden Wagen aufmerksam und begab sich hinein, sah noch einen von den kleinen Bildschirmen und einen Mann, der konzentriert daraufstarrte. Einer davon zeigte in einem fort Radarleuchtflecken, ein wildes Durcheinander von Leuchtflecken. Dann war Lauren für einen kurzen Moment allein in einer Ecke, und es erschien nur ein Leuchtfleck. Mehrere Leute kamen in ihre Nähe; der Bildschirm füllte sich mit ihren Leuchtflecken. Er huschte davon.
    Sie wußten Bescheid, dachte er, und kämpfte die Panik nieder, die ihn wieder zunichtemachen würde; er schwebte in kleinen Wirbeln über dem Verkehr, den Fußgängern, einem Polizeiwagen, zwei Kindern auf Fahrrädern. Sie wußten Bescheid und rechneten damit, obwohl sie selbst den Gedanken noch von sich wies. Er sammelte sich zu einem genügend dichten Mittelpunkt, um mit ihr in Verbindung treten zu können, und er behielt den Wagen im Auge, der ein kleines Stückchen weiter als an der Stelle, an der sie kehrtgemacht hatte, um ins Café zu gehen, geparkt worden war. Einer der Männer stieg aus und betrat das Café, der andere blieb im Auto sitzen und beobachtete die Vorgänge auf dem Bildschirm. Der eine mit dem stabförmigen Gegenstand ging an der Nische, in der sie saß, vorbei, dann gesellte er sich wieder zu seinem Gefährten im Wagen, um zu warten. Corky strömte in Hilda’s Café.
    Er floß in den freien Platz zwischen ihr und der Wand und spannte wohldosiert seinen Muskel. »Hallo«, flüsterte er. »Ich bin hier. Kannst du ein Stückchen rutschen?«
    Sie erstarrte. Ihre Kehle fühlte sich zugeschnürt an, ihre Zunge war wie betäubt. Es gelang ihr, den Kopf ein wenig zu drehen, um in seine Richtung zu blicken, und sie sah nichts. »Trau dich ja nicht, dich wieder nackt zu zeigen!« flüsterte sie.
    »Keine Angst. Ich brauche bloß einige Zentimeter. Weiter werde ich nicht gehen, das verspreche ich.«
    Sie rutschte ein wenig und nahm die Speisekarte zur Hand, um ihr Gesicht dahinter zu verstecken. »Wo, zum Teufel, hast du gesteckt? Jemand beobachtet jeden meiner Schritte. Sie werden dich

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