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Verrückte Zeit

Verrückte Zeit

Titel: Verrückte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Wilhelm
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Straße zu achten. Sie mußte sich beherrschen, daß sie nicht vor sich hin lächelte, und sie spürte ein aufgeregtes Prickeln, wie ein Schulmädchen, das vorhatte auszureißen. Der Regen hatte wieder mit einem leichten, regelmäßigen Nieseln eingesetzt. Es waren nicht viele Leute bei diesem Wetter unterwegs. Sie bildete sich ein, ihn hin und wieder an ihrer Seite zu spüren, aber sie war sich nicht sicher.
    Kein Fahrrad, hatte er bei sich zu Hause feststellen müssen; jemand hatte es geklaut. Statt dessen war er zu der Insel gehuscht, an die er sich erinnerte, und dort hatte er ein Boot mit Außenbordmotor gefunden. Er sah bei Musselman vorbei, der aufgeregt war, weil Lauren sich bewegte. Er sah bei Morris vorbei, der unruhig hin und her lief und mit finsterem Gesicht zum Telefon blickte. Der Sergeant beobachtete mit gesteigerter Aufmerksamkeit seinen Monitor. Ein zweiter Mann, der bei ihm war, machte einen gelangweilten Eindruck, da er sich mit geschlossenen Augen in seinem Sessel zurückgelegt hatte; er trug Kopfhörer.
    Corky hatte Laurens Wagen gründlich untersucht und die Geräte gefunden, die sie dort angebracht hatten, ohne genau zu wissen, um was es sich dabei handelte. Er würde es herausfinden, sobald sie unterwegs wären. Wenn es eine Wanze wäre, würde er sie wegschaffen; wenn es ein Ortungsgerät wäre, würde er es an seinem Platz lassen.
    Er hielt seinen Mittelpunkt dicht zusammen, während er hier und dort vorbeischaute und zusah, wie die verschiedenen Spielfiguren ihre Positionen einnahmen. Er gab Lauren eine halbe Stunde zum Packen, und dann war er in Bellingham, hundertfünfzig Kilometer entfernt, in einem Haus im Niemandsland vor der Grenze. Er wählte ihre Nummer, ließ dreimal läuten, legte auf. Er wählte erneut und gab eine kurze Botschaft durch: »Alles in Ordnung.« Dann legte er wieder auf und huschte zurück in das Apartment, dem ihren auf der anderen Straßenseite gegenüber. Der Mann mit dem Kopfhörer war jetzt hellwach und lauschte angespannt. Er sah den Sergeant an und sagte: »Bellingham, das ist alles.«
    Sergeant Caroll nickte und rief Drissac an, der die Neuigkeit an Trigger Happy weitergab; viele Räder setzten sich von neuem in Bewegung. Als dem Colonel ein paar Minuten später berichtet wurde, daß sie ihre Wohnung verlassen habe und allein mit dem Auto weggefahren sei, nickte er zufrieden, ebenso wie Drissac. Es lief alles nach Plan, dachte Trigger Happy. Morris hatte ihr ausreichend den Kopf verdreht, daß sie durcheinander war, und jetzt bestellte sie Kommunistencorky zu sich. Bellingham, grübelte er, fast an der kanadischen Grenze, und auch das hatte er vermutet; es würde einen Wettlauf dorthin geben. Drissac rief den Luftwaffenstützpunkt McChord an und gab Anweisungen für die beiden Hubschrauber, die in Bereitschaft standen. Und dann warteten sie, um sich davon zu überzeugen, daß sie auch wirklich auf der Interstate 5 nach Norden fuhr. Berichte wurden im Abstand von fünf Minuten hereingegeben, und sie lauteten alle gleich: Hohe Geschwindigkeit, Richtung Norden, allein.
    Als Drissac gegangen war, saß der Colonel allein in seinem Büro und nahm die eingehenden Berichte entgegen. Er überlegte, ob Kommunistencorky wohl nach seinem Tod sichtbar würde. Er hoffte nicht; nicht bevor sie ihn vollgepumpt hätten mit Farbe oder irgend etwas. Er hatte einen angenehmen kleinen Wachtraum, in dem er vor einem langen Metalltisch stand, der bedeckt war mit einem weißen Leintuch, das sich über etwas wölbte, das eigentlich eine Leiche sein müßte – und dann zog er das Tuch triumphierend weg, und zum Vorschein kam – nichts. Er konnte ihre Mienen sehen, die der hohen Verbindungsoffiziere, des Staatssekretärs aus dem Verteidigungsministerium, des Generalstabsarztes, alle. Ob der Präsident dabei wäre? Zunächst schüttelte er den Kopf, doch dann murmelte er: »Warum nicht, zum Teufel?« und er ergänzte sein Phantasiebild um ihn.
    Lauren fuhr mit äußerster Konzentration und gestand sich nicht ein, daß sie schreckliche Angst hatte. Sie fragte sich, ob Johanna von Orleans wohl Angst gehabt hatte, als sie ihre Truppen gegen die Engländer führte; oder hatte ihre innere Stimme ihr so viel Kraft gegeben, daß sie keine Angst zu haben brauchte?
    Sie ertappte sich immer wieder dabei, daß sie zu schnell fuhr, zügelte sich mit großer Willensanstrengung, um gleich darauf wieder zu rasen. Am liebsten wäre sie immer schneller und noch schneller gefahren, bis zum Abheben

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