Verschärftes Verhör
Blick auswich.
»Die üblichen Essenseinladungen«, antwortete Steve Robinson. »Wir haben uns auf die internationale Kontrollkommission konzentriert. Vor allem auf die Polen. Die Ungarn erzählen uns gar nichts, wie Sie sicher wissen.«
»Keine Überläufer!«, warf Janson ein. »Sonst hätten wir die gesamte polnische Delegation in wenigen Tagen auf der Matte stehen.«
Immer das gleiche Spiel, dachte Harry, nur ernteten sie diesmal die Früchte des Friedens und zapften jene Menschen an, die nach dem Pariser Friedensabkommen nach Vietnam geschickt worden waren, um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen.
Der vietnamesische Kellner trug das Essen auf. Harry beobachtete, wie er mit ruhiger Miene die Teller hinstellte, und dachte naiv, jedenfalls hat er keine Angst.
»Nha Trang ist eigentlich gar nicht so übel«, sagte Robinson und machte sich über seinen dampfenden Coq au vin her, wobei ihn die tropische Hitze gar nicht zu stören schien. »Ich war letzten Winter eine Weile dort oben. Zu Ihrer Unterkunft gehört ein Püppchen von einer Haushälterin. Hübsche Vietnamesin. Wenn Sie ihr französische Pralinen schenken, macht sie, was Sie wollen. Ich kann Ihnen ein gutes Geschäft in Saigon empfehlen.«
Harry merkte, wie er rot wurde, und warf einen Blick auf Susan, die vollkommen ungerührt wirkte.
»Harry ist Hobbyastronom«, verkündete Morrow in beinahe spöttischem Tonfall. »Stimmt doch, oder?«
»Ja, das ist richtig.«
»Und was ist Ihre Lieblingswaffe? Unitron? Zeiss?«
»Nein, ich benutze ein Celestron C-8.«
Morrow nickte. »In Nha Trang werden Sie eine Menge Sterne sehen.«
Harry schnitt in sein Steak. Er hatte es medium bestellt, doch es war noch blutig, und beim Anblick des rohen Fleisches wurde ihm übel.
Susan beugte sich zu ihm herüber. »Sie können es zurückgehen lassen.«
Er schüttelte den Kopf. »Alles in Ordnung.« Er aß einen Bissen, kaute und spülte das Fleisch mit Rotwein hinunter, obwohl es ihm schwerfiel.
Susan schaute ihn skeptisch an. »Herrgott!«, rief sie und winkte den Kellner herbei. »Wie wollten Sie es denn haben?«
»Ich bin wohl doch nicht so hungrig«, erwiderte Harry und wurde wieder rot. »Es muss an der Hitze liegen.«
Aber der Kellner war schon unterwegs.
Susan deutete auf Harrys Teller. »Nehmen Sie das zurück«, sagte sie in perfektem Französisch.
Harry lächelte den Kellner an. »Es ist gut, wirklich.«
Der Blick des Kellners verriet, dass selbst er das Steak für ungenießbar hielt. Der ganze Tisch beobachtete Harry inzwischen, und doch konnte er aus Gründen, die ihm selbst unbegreiflich waren, nicht nachgeben.
»Es ist gut«, wiederholte er mit dämlichem Grinsen. »Es ist absolut in Ordnung.«
Ein Blitz, noch gewaltiger als der letzte, erhellte die Landschaft und lenkte alle ab, so dass Harry vor seinem eigenen Starrsinn gerettet wurde.
Als sie nach dem Essen vor dem Hotel standen und auf ihre Wagen warteten, stieß Peter Janson ihn an. »Kommen Sie bloß nicht auf falsche Gedanken.«
»Wie meinen Sie das?«
»Halten Sie mich für blöd?«, knurrte Janson.
Morrows Mercedes fuhr vor, und Harry sah zu, wie Susan auf dem Beifahrersitz Platz nahm. »Hat sie etwas mit ihm?«
»Sie hat mit keinem etwas. Glauben Sie mir, wir haben es alle versucht. Außerdem ist Morrow verheiratet.«
»Na und?«
»Kein na und. Ich wollte Ihnen nur die Mühe ersparen.« Harry nickte. Er sah Susan durch das Autofenster, ihr Gesicht dunkel und halb hinter dem Spiegelbild der Hotelfassadeverborgen. Sie sprach mit Morrow, wölbte ihm die nackten Schultern vertraulich entgegen. Dann kurbelte sie das Fenster hinunter.
»Willkommen in Vietnam«, rief sie und lachte noch immer über den Scherz, den nur sie und Morrow kannten.
Hawaii
Wie viele Demütigungen waren gefolgt?, fragte sich Harry, während er sich im Bett umdrehte und das bisschen Decke, das man ihm zugestand, über sich zog. Im körnigen Zwielicht waren nur Chars Umrisse zu erkennen: Hüften, Schultern und der Schatten des Gesichts. Sie hatte den Mund wie ein schlafendes Kind leicht geöffnet. Er hätte es an jenem Abend im Caravelle schon ahnen und Jansons freundliche Warnung befolgen müssen, doch das hatte er natürlich nicht getan. Tief in seinem Inneren stieg beim Gedanken an ihren Tod eine jämmerliche Schadenfreude auf, und er schämte sich dafür.
Das Vieh auf der Weide stimmte seine Klage an. Sie leben im Paradies, dachte Harry, was also wollen sie? Noch einen Tag im lauen Sonnenschein? Noch
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