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Verschärftes Verhör

Verschärftes Verhör

Titel: Verschärftes Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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Nacht in der Aufnahmestation und einem Tag in den Verhörkabinen hatte sie es bitter nötig.
    Gewöhnlich ließ Kat größte Vorsicht walten, wenn es um ihre Beziehung zu Männern ging. Als sie in Oman mit Colin schlief, hatte sie an eine einmalige Sache geglaubt. Die Gefahr war zu real, das Risiko, verletzt zu werden, einfach zu groß. Sie hatte recht behalten und kam dennoch nicht dagegen an.
    In der schmalen, mit Steinen übersäten Gasse, die zu ihrem Zelt führte, begegnete sie ihrer Mitbewohnerin, die als Krankenschwester im Combat Support Hospital arbeitete. Die Krankenschwestern bekamen ebenso wenig Schlaf wie die Verhörspezialisten, und die Frau sah aus, als hätte man sie vorzeitig aus einem wohlverdienten Nickerchen geweckt.
    »Du hast Besuch«, rief sie ihr entgegen, wobei ihr der Ärger deutlich anzumerken war.
    Colin, dachte Kat, und legte die letzten Meter im Laufschritt zurück. Als sie die Leinwandklappe zurückschlug und durch den niedrigen Eingang trat, sah sie Kurtz auf dem Klappstuhl neben ihrem Bett sitzen. Sein massiger Körper raubte ihr die kostbare Privatsphäre.
    »Hattest du jemand anderen erwartet?«, fragte er.
    »Ich habe seit zwei Tagen nicht geschlafen«, warnte sie ihn und blieb an der Tür stehen. »Heute Abend muss ich wieder zum Verhör. Sag also, was du zu sagen hast, und dann verschwinde.«
    Kurtz griff nach zwei beschlagenen Bierflaschen, die neben ihm auf dem Boden standen. Es war nicht die übliche usbekische Brühe, sondern Murree, und Kat geriet flüchtig in Versuchung, schüttelte dann aber den Kopf. »Was willst du?«
    Kurtz zuckte die Achseln, ließ eine Flasche aufschnappen und nahm einen großen Schluck. »Wie ich hörte, hast du den ganzen Tag mit dem Jungen verbracht.«
    »Er heißt Jamal.«
    »Hast du etwas erfahren?«
    »Nur, dass er lieber Hähnchen Tetrazzini als gegrilltes Beefsteak isst. So wie wir alle.« Damit spielte Kat auf die berüchtigten Einmannpackungen der Armee an. »Außerdem ist er ein Anhänger der Yankees. So wie wir alle.«
    »Er war also freundlich?«
    »Ich würde eher sagen, er hat sich vor Angst in die Hose gemacht. Der Junge ist clever. Er weiß genau, was wir hören wollen, und hat bislang genau das gesagt.«
    Kurtz leerte seine Flasche in einem gewaltigen Zug und warf sie auf Kats Bett, bevor er die zweite öffnete. »Ich hab mit den Jungs von der Agency gesprochen. Die meinen, sie könnten ihn gebrauchen.«
    Die. Kat horchte auf, als sie Kurtz’ Formulierung hörte. In der Aufnahmestation war man davon ausgegangen, dass er dazugehörte. Das war anscheinend ein Irrtum gewesen.
    »Er ist fünfzehn«, sagte sie ausweichend. »Nicht volljährig. Wir können ihn nicht behalten, wenn sein PUC-Status abgelaufen ist. Das weißt du ganz genau.«
    »Eben«, erwiderte Kurtz verächtlich. »Was willst du denn machen? Ihn dorthin zurückschicken, wo man ihn gefunden hat? Ich habe seine Akte gelesen. Er hat kein Zuhause.« Kurtz stand auf.
    Das war plausibel, doch Kat fragte sich unwillkürlich, welchen Einfluss Kurtz auf die Zukunft des Jungen haben mochte.
    Er stellte die zweite Flasche, die er kaum angerührt hatte, auf die Holzkiste, die ihr als Nachttisch diente. Die Geste war wohlüberlegt; er wollte ihr zeigen, dass er im Überfluss lebte und kostbares Bier verschwenden konnte. »Die könnten ihm helfen, Kat. Ein kleines Stipendium, eine Wohnung. Wenn es gut läuft, könnte er nach Europa zurückkehren oder sogar in die Staaten gehen.«
    Kat schüttelte den Kopf. »Du hast ihn doch gesehen. Er ist nur ein Kind.«
    »Wir sind hier nicht bei James Bond. Er wäre einfach Teil der Gemeinschaft. Im Idealfall werden sie ihn gar nicht brauchen. Schlimmstenfalls gibt er Bescheid, wenn er etwas Interessantes erfährt.«
    »Das wird er nicht tun«, beharrte Kat, obwohl sie es besser wusste.
    »Red keinen Mist. Du hast es doch selbst gesagt. Er ist ein cleverer Junge, der seine Chancen genau einschätzen kann.«
    »Ich werde es nicht zulassen.«
    »Und ob du das wirst.«
    »Raus aus meinem Zelt«, knurrte Kat und deutete auf die leere Bierflasche. »Und nimm gefälligst deinen Abfall mit.«
    Kurtz trat an ihr vorbei, wobei er ihre Aufforderung demonstrativ ignorierte. »Du kannst dir die Antwort gründlich überlegen«, meinte er höhnisch. »Sprich erst mal mit deinem Freund darüber. Wir sehen uns dann in der Einrichtung.« Mit diesen Worten hob er die Zeltklappe und verschwand im gleißenden Sonnenlicht.

 
Madrid
    Jeder andere, dachte Kat, als

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