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Verschärftes Verhör

Verschärftes Verhör

Titel: Verschärftes Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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gesäubert, auf dem ein Sportplatz angelegt worden war. Im Zwielicht spielten einige Marines mit nacktem Oberkörper Touch Football. Auf der Landebahn kauerten drohend riesige Chinook- und Black-Hawk-Hubschrauber und die kleinen und wendigeren Apaches mit den Hellfire-Luft-Boden-Raketen unter den Stummelflügeln. In der Ferne erinnerten die Wracks von MIG-Flugzeugen und Hind-Hubschraubern an die schmachvolle Niederlage der Sowjets.
    Im Krieg blieb keine Zeit für Ordnung. Das galt vor allem für Afghanistan, wo das unwirtliche Terrain es einer abziehenden Armee praktisch unmöglich machte, mehr als die eigene Haut zu retten. Überall in Bagram entdeckte man Überreste des früheren Krieges und Spuren ehemaliger Bewohner des Stützpunktes. Der Hauptteil des Gefängnisses, in dem jetzt die Käfige standen, war früher eine riesige Flugzeugwerkstatt gewesen. Längs der Wände verharrten noch sowjetische Maschinen, formlose Umrisse unter schwarzen Planen. Fast alle Oberflächen waren mit russischen Graffiti übersät. Spuren eines großen, blutigen Scheiterns, dachte Kat. Die Stimmen junger Männer, die es nicht nach Hause geschafft hatten. Und mehr als das: eine Warnung, was diesmal alles schiefgehen konnte.
    Kat kam am Lager der Spezialkräfte mit dem Stacheldrahtzaun und dem riesigen Grillplatz vorbei und betrat den britischen Bereich. Über das britische Lager, auch Camp Gibraltar genannt, wurde viel erzählt, und seine Bewohner wurden von allen anderen Mitarbeitern des Stützpunktes beneidet. In der kurzen Zeit seit ihrer Ankunft hatte Kat bereits diverse Gerüchte über die Vorzüge des britischen Lagers gehört, von der Sauberkeit der Duschen bis zur Qualität des Essens.
    Auf den ersten Blick schienen die Gerüchte durchaus berechtigt. Das Lager war geradezu klischeehaft sauber und ordentlich und erinnerte an die Hollywoodversion eines Militärstützpunkts. So etwas hatte Kat noch nie erlebt. Die Zelte waren in Reih und Glied aufgestellt, der Boden eingeebnet und gesäubert. Bunt leuchtende Union Jacks und schottische Flaggen flatterten in der Abendbrise.
    Ein Militärpolizist hielt Kat am Tor an und fragte sie nach ihrem Ausweis. Kein Wunder, dass die Briten eifersüchtig über ihr Fleckchen kolonialen Komforts wachten, das sie der kargen afghanischen Erde abgetrotzt hatten. Gewöhnlich durften Amerikaner den Bereich nicht betreten. Kat hoffte, dass sie mit ihrer Zivilkleidung genügend Eindruck schindete, um irgendwie hineinzugelangen.
    »Ich möchte zu den Soldaten der Schwadron C«, verkündete sie selbstsicher. Wenn der MP sie für eine zivile Regierungsangestellte halten sollte, musste sie es auch richtig machen. »Wir haben einige Fragen zu den Gefangenen, die gestern Abend in die Einrichtung gebracht wurden.«
    Der Mann betrachtete sie misstrauisch, aber das war reine Show. Er wusste genau, dass er sie hereinlassen musste. »Sie sind im Kasino«, knurrte er und deutete auf ein großes Zelt weiter hinten im Lager.
    Angst öffnet viele Türen, dachte Kat, als sie über den Fahrweg ging, und genoss ihre Rolle. Plötzlich verstand sie, was viele Menschen an der Agency reizte. Es war durchaus von Vorteil, wenn einem alle Türen offen standen.
    Im Kasino gab es an diesem Abend Fisch und Chips, die Luft war erfüllt vom Geruch echten, gekochten Essens. Anders als die amerikanischen Mahlzeiten, die man aus Deutschland einflog und aufwärmte, wurde dieses Essen an Ort und Stelle zubereitet.
    Kat ließ die Blicke durch das überfüllte Zelt schweifen und blieb an einer Gruppe Soldaten in der äußersten Ecke hängen. Sie erkannte einige Gesichter vom Flug ins K-2. Es war Colins Schwadron, doch er selbst war nicht dabei.
    Mit gewichtigem Schritt durchquerte sie die Messe. »Wo ist Leutnant Mitchell?«, knurrte sie.
    Einige Männer schauten auf, sagten aber nichts.
    »US-Geheimdienst«, verkündete Kat herrisch. »Ich habe Fragen zu einem der Gefangenen von gestern Abend.«
    »Er und Kelso sind noch in der Salzgrube«, erwiderte ein Soldat höhnisch.
    Kat wusste, dass es sich dabei um die alte Ziegelei an der Straße nach Kabul handelte, die der zivile Geheimdienst kürzlich als private Vernehmungseinrichtung beschlagnahmt hatte. Sie hatte mitbekommen, wie sich andere Verhörspezialisten darüber beschwerten. Ihrer Erfahrung nach war es nicht ungewöhnlich, dass die Leute von den Spezialkräften Häftlinge dorthin begleiteten; in Kandahar hatten Spezialkräfte und ziviler Geheimdienst Hand in Hand gearbeitet,

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