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Verschärftes Verhör

Verschärftes Verhör

Titel: Verschärftes Verhör Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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Kurtz durch das sonnige Atrium des Atocha-Bahnhofs ging und hinter dem üppigen Wald aus Palmen und Bananenstauden verschwand, jeder, nur nicht Kurtz. Aber es ließ sich nicht ändern.
    Kat schaute sich in der Bahnhofshalle um, um sich zu orientieren. Sie hatte Kurtz gesagt, sie müsse auf die Toilette, während er die Fahrkarten nach Algeciras besorgte. Im Grunde stimmte das, aber sie wollte auch ihren Anrufbeantworter abhören, falls Stuart noch einmal angerufen hatte. Natürlich hätte sie Kurtz die Wahrheit sagen können, aber dann hätte er Fragen gestellt, und sie wollte nicht mit ihm über Colin sprechen.
    Ganz am Ende der Halle entdeckte sie neben einem Zeitungsstand eine Reihe Münztelefone und drängte sich durch die Menschenmenge. Sie hatte kein Kleingeld, nur die Euroscheine, die Morrow ihr am Flughafen gegeben hatte. Also musste sie eine Telefonkarte benutzen oder Geld wechseln lassen.
    Eine Gruppe Rucksacktouristen deckte sich am Zeitungsstand gerade mit Zigaretten und Süßigkeiten ein. Zwanzigjährige, die überall gewesen waren und alles gesehen hatten, dachte Kat. Wie naiv war sie doch auf ihrer ersten Reise gewesen, wie unerfahren hatte sie sich gefühlt.
    Um ihre Befangenheit zu verbergen, betrachtete sie die Titelseiten der Zeitschriften. Die Auswahl war typisch für einen Großstadtbahnhof: viele Sportblätter und einige anspruchsvollere Zeitungen, darunter die übliche Auslandspresse. Dann fiel ihr Blick auf eine kleine Schlagzeile unten auf der Titelseite der Londoner Times.
    »Neue Panne im Militärgerichtsverfahren wegen Häftlingstod«, las Kat und griff rasch nach der Zeitung. Stuarts Fall war unmittelbar nach den Enthüllungen über die Misshandlung von Häftlingen im Irak bekanntgeworden und hatte in der amerikanischen und britischen Presse viel Aufsehen erregt. Kat war nicht sonderlich überrascht, dass Colins Tod eine Schlagzeile wert war.
    Sie schlug die Zeitung auf und überflog rasch den Artikel:
     
    Quellen in Portsmouth, bestätigen, dass das Militärgerichtsverfahren gegen einen Ma rinesoldaten wie geplant stattfinden soll, obwohl ein wichtiger Zeuge der Anklage kürzlich verstarb. Der Soldat wird des Mordes an einem in seiner Obhut befindlichen Häftling beschuldigt. Der Fall soll sich im Frühsommer 2002 in Afghanistan zugetragen haben.
    Colin Mitchell, ein ehemaliger Angehöriger des Special Boat Service, wurde vor drei Tagen in London tot aufgefunden. Er beging vermutlich Selbstmord durch eine Überdosis Medikamente. Mitchells Tod ist für die An klage der zweite schwere Rückschlag inner halb weniger Monate.
    Zu Beginn des Jahres wurde bekannt, dass ein weiterer möglicher Zeuge aus dem Gewahrsam des US-Militärs vom Luftwaffenstützpunkt Bagram geflohen ist und für eine Aussage nicht zur Verfügung steht. Der fragliche Zeuge, Hamid Bagheri, unterhält bekanntermaßen Verbindungen zu mehreren Terrororganisationen und befindet sich nach wie vor auf freiem Fuß.
     
    »Und, etwas Interessantes?«
    Kat schoss herum. Kurtz stand genau hinter ihr. »Ich habe nur kurz die Schlagzeilen überflogen«, sagte sie hastig, faltete die Zeitung und steckte sie wieder in den Ständer, so dass die Überschrift nicht sichtbar war. Ihre Hände zitterten. »Hast du die Fahrkarten?«
    Kurtz warf einen Blick auf die Zeitung. »Warum kaufst du sie nicht? Die Fahrt ist lang.«
    Kat wusste nicht, ob er sie provozieren wollte, und schüttelte den Kopf. »Ich möchte lieber schlafen.«
    Kurtz lächelte. Diesen Ausdruck kannte sie, die Mischung aus Herablassung und Verachtung. »Wie du willst.«
    Er weiß es, dachte Kat.

 
Afghanistan 2002
    Es dämmerte rasch, nachdem Kat ihr Zelt verlassen hatte und über den Disney Drive, wie die Hauptstraße von Bagram genannt wurde, zum britischen Lager ging. Es befand sich ganz am Ende der Landebahn. Im Osten des Tals ging der Mond auf, während im Westen die Sonne ihre letzten Strahlen über die Berge sandte. Der Himmel leuchtete tiefblau, wie es nur in großer Höhe möglich ist, und die Berge zeichneten sich klar in der dünnen Luft ab. Auf den kahlen Gipfeln lag noch der Winterschnee.
    Anders als viele Soldaten in Bagram fühlte sich Kat in der Mondlandschaft der Shomali-Ebene seltsam heimisch. Die karge Leere erinnerte sie an das Land nahe den Rocky Mountains und ihre Kindheit, die eine einzige lange Fahrt durch den amerikanischen Westen gewesen zu sein schien.
    Die norwegischen Minenräumer hatten im Niemandsland neben der Landebahn ein Areal

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