Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
er denkt.
»Was hätte ich tun sollen?«, sagt er dann. »Ihr keines geben? Es stimmt, sie hat sich mit ihrem Mann getroffen, es gab wieder einmal heftigen Streit, er ist davongestürmt, sie ihm nach, sie hat ihn eingeholt, versucht, ihn festzuhalten, er hat sie abgeschüttelt, sie ist hingefallen, er ist einfach weitergegangen. Gerda hat sich ins Auto gesetzt und ist ziellos herumgefahren, hat nicht gewusst, was sie tun soll. Ich musste sie doch schützen, sie hat in den letzten Monaten genug mitgemacht.«
»Und woher wollen Sie wissen, dass sie die Wahrheit sagt?«
»Wissen kann ich es nicht, aber ich glaube ihr. Und ich habe ein ziemlich gutes Gespür für Menschen.«
»Es war doch klar, dass das mit dem falschen Alibi herauskommen würde. Ein Streit in einem Kaffeehaus ...«
Der Drehbuchautor fährt sich mit der Hand über die Augen und seufzt. »Das sehe ich jetzt auch so, aber es ging alles so schnell, da handelt man instinktiv, und ich konnte sie doch nicht im Regen stehen lassen.«
»Und was ist mit Ihrem Alibi?«
»Ich war daheim, habe geschrieben, ich bereite gemeinsam mit einem Team eine neue Serie vor.«
»Ihre Kollegen waren da?«
»Nein, ich war allein. Ich kann nur allein kreativ sein, das Überarbeiten machen wir dann zusammen. Die Polizei hat mich das auch schon gefragt, vor zwei Stunden war ein Beamter da. Danach habe ich Luft gebraucht und bin joggen gegangen. Glauben Sie mir, das Ganze ist auch für mich nicht einfach.« Er springt abrupt auf. »Eines sage ich Ihnen, auch wenn das nicht gut wirkt: Ihr Mann war ein super Egoist, er hat sie auf eine Art terrorisiert, an der sie beinahe zugrunde gegangen wäre.«
»Kann es sein, dass Sie da nicht ganz vorurteilsfrei sind?«
Er atmet durch, setzt sich wieder und redet ruhiger weiter. »Nein, das bin ich sicher nicht. Gerda habe ich übrigens nie gesagt, wie ich über ihren Mann denke, ich finde, das steht mir nicht zu, ist nicht mein Stil. Aber dieser edle Onkel Doktor, der war daheim ganz anders. Und er konnte nicht damit leben, dass auch Gerda ihr Leben braucht. Ich wünsche keinem den Tod, aber so wie er sich aufgeführt hat ... Er hat es regelrecht herausgefordert, wenn Sie mich fragen.«
»Das klingt, als wäre für Sie klar, dass die Scheidung und der Mord zusammenhängen. Gehen wir davon aus, dass die beiden Kinder nichts mit der Sache zu tun haben. Gerda soll es keinesfalls gewesen sein, Sie auch nicht – wer dann?«
»Das habe ich nicht gesagt, dass Scheidung und Mord zusammenhängen, vielleicht steckt hinter dem Mord auch etwas ganz anderes ... Oder er war es doch selbst ...«
»Und wie soll das gehen? Er schlägt sich aus purer Rachsucht zuerst mit einem Stein den Schädel ein, setzt sich dann ins Auto und stürzt den Steinbruch hinunter? So etwas spielt nicht einmal in Ihren Serien.«
»Vielleicht hatte er einen Helfer? Oder es war ein Patient?«
»Vergessen Sie’s. Und: Behandlungsfehler gab es keine, das haben wir gecheckt. Seine Patienten haben ihn geradezu verehrt.«
»Wer weiß, wem er sonst noch übel mitgespielt hat. Für ihn gab es nur Freund oder Feind. Das wird Ihnen Gerda doch erzählt haben, oder? Das war schon pathologisch, wenn Sie mich fragen. Dem sollten Sie nachgehen. Und Ihre Freundin, die Detektivin.«
Gerda hat also sehr wohl von uns erzählt. »Wie ist das übrigens mit Ihrer Frau? Gerda hat etwas von einer völlig offenen Beziehung erwähnt.«
»Das ist sehr privat.«
»Ich bin ja auch nicht da, weil ich darüber schreiben will. Ich will Gerda helfen, aber dafür muss ich so viel wie möglich wissen.«
»Okay, also, das stimmt. Wir leben in einer offenen Partnerschaft, meine Frau weiß von Gerda, aber sie will sich da raushalten. In dieser Hinsicht leben wir eben beide unser Leben.«
»So etwas gibt es tatsächlich? Und es ist ... für beide Seiten okay?«
Peter Königsberger überlegt und sagt dann langsam: »Vielleicht war es am Anfang nicht ganz so. Aber wissen Sie, wir haben uns nicht nur geliebt, sondern von Anfang an auch sehr geschätzt. Irgendwann hat sie eine Affäre mit einem recht bekannten Schauspieler angefangen, ich habe es lange nicht gemerkt, ich war damals gerade auf dem Trip, dass ich Weltliteratur schreiben könnte, bin Tag und Nacht über einem Roman gesessen, von dem jeder außer mir wusste, dass daraus nichts wird. Irgendwann habe ich ihre Affäre dann doch mitbekommen, aber ich habe nichts gesagt. Bei unserem Sex war ohnehin längst die Luft draußen, keine Ahnung, wie
Weitere Kostenlose Bücher