Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
sie mag dich ausgesprochen gern, sie freut sich aufrichtig, dass wir heiraten wollen.«
»Du hast es ihr erzählt?«
»Das hat sich so ergeben.«
»Und sie freut sich.«
»Aufrichtig.«
Wie naiv Männer manchmal sein können. »Warum hat Gerda sie nicht verständigt?«
»Sie wurde festgenommen, da hat sie wahrscheinlich an anderes gedacht. Und bis Kriminalbeamte von sich aus solche Vorschläge machen, dauert es hin und wieder eine Zeit lang.«
»Also jetzt ist ... die Anwältin ohnehin dort?«
»Ja, aber es wäre besser gewesen, sie wäre von Anfang an dabei gewesen. Deine Gerda dürfte sich ganz schön in Widersprüche verwickelt haben. So hilfst du ihr nicht.«
»Kannst du dir vorstellen, dass ich auch anderes zu tun habe? Das Attentat ...«
»Jedenfalls ist es besser, du überlässt die Mordsache den Profis und kommst heim, schließlich haben wir so einiges zu planen.«
Was ist das? Der voreheliche Befehl, rechtzeitig zu Hause zu sein? Ich bocke. »Wird leider nicht gehen. Denn erstens bin ich mit meiner Arbeit noch nicht fertig, und zweitens habe ich Vesna versprochen, dass wir uns treffen.«
Jetzt ist Oskar hörbar sauer: »Du kannst tun, was du willst.«
»Ich muss wieder zu meiner Terrorismusstory.« Ich bin wütend. Besser, man stellt so etwas gleich klar. Und was heißt »heim«? Meint er damit schon seine Wohnung? Was ist dann mit meiner? Ich muss Vesna anrufen, wir könnten wirklich noch essen gehen. Oder ich schaue, was Droch so vorhat oder meine Kollegen aus der Lifestyleredaktion. Vielleicht sollte ich auch einmal mit den Außenpolitikern weggehen, Petra ist recht nett und Tom auch, und der Ressortleiter geht ohnehin sicher nicht mit.
Ich höre laute Stimmen am anderen Ende des Großraumbüros und schiebe einen Ast des Ficus zur Seite.
»Da kannst du nicht so einfach rein«, ruft eine unserer Rezeptionistinnen.
»Kann ich doch, ich kenne die Journalistin persönlich«, erwidert ein schlanker junger Mann. Die Stimme kommt mir bekannt vor.
»Komm jetzt.« Sie versucht ihn nach draußen zu zerren, aber er ist stärker.
Jetzt ist mir klar: Das ist Philipp. Ich stehe auf und gehe rasch auf die beiden zu.
»Da ist sie ja«, ruft er triumphierend.
»Kennst du den?«, fragt mich die Rezeptionistin.
»Ja, ist okay.«
»Er hat sich am Empfang einfach vorbeigeschummelt.«
»Komm mit«, sage ich zu Philipp, und unter den neugierigen Blicken einiger Kollegen gehe ich mit ihm zu meinem Schreibtisch, ziehe den zweiten Sessel näher, deute darauf.
»Was ist los?«, frage ich.
»Meine Mutter ist in Untersuchungshaft, weil sie hinter einen Streit mit meinem Vater gekommen sind«, sagt er in seiner brüsken Art. »Aber ich habe ihn an diesem Tag noch getroffen, sie hat ihn nicht umgebracht.«
»Was? Wo?«
»So um halb fünf im Park ums Eck bei der Ordination.«
»Hast du das der Polizei erzählt?«
»Ja, aber sie haben mich absolut nicht ernst genommen, die Bullen.«
»Wann hast du es ihnen erzählt?«
»Na heute, sobald ich mitbekommen habe, was mit Mutter los ist.«
»Ihr seid schon zweimal befragt worden, da hast du nie etwas davon gesagt?«
»Nein ... ich habe nicht daran gedacht.«
»Unsinn.«
»Ich ... ich wollte mich nicht selbst verdächtig machen.«
»Du siehst zu viele Kriminalfilme.«
»So etwas interessiert mich nicht.«
»Gibt es Zeugen?«
»Keine Ahnung, gesehen habe ich niemanden.«
»Warum hast du dich mit deinem Vater getroffen, du konntest ihn doch nicht ausstehen?«
»Kein Wunder, aber ich wollte, dass er Mutter endlich in Ruhe lässt, die war doch schon total fertig. Und nach der Scheidung hat sie sich vor der Vermögenssache gefürchtet. Ich hab ihm gesagt, er soll Mutter endlich ordentlich behandeln, sonst erzähle ich von seinem Verhältnis.«
»Wie bitte?«
»Klar hatte er eine Freundin, leider habe ich es vor der Scheidung noch nicht gecheckt, das wäre super gewesen. Aber zwei Tage danach habe ich sie Händchen haltend gesehen, per Zufall, an der Alten Donau. Der hat doch bloß den leidenden Exehemann gespielt, das habe ich mir immer gedacht. Dem ging es doch nur ums Geld. Und um Rache.«
Mag sein, dass Philipp eine blühende Fantasie hat und glaubt seiner Mutter so helfen zu können. Mag aber auch sein, dass die Ermittler ihn nicht ernst genug genommen haben.
»Warum hast du nicht sofort von der Freundin erzählt?«
»Was hätte es gebracht? Meine Mutter hätte sich aufgeregt, und die Scheidung war ja schon gelaufen. Ihm wollte ich drohen, damit er
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