Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
war, noch lange leise mit Vesna telefoniert.
Oskar scheint dafür heute schon telefoniert zu haben.
»Mutter freut sich richtig, mich doch noch unter die Haube zu bringen«, ruft er mir zu. In einer Pfanne brät er Spiegeleier. Ich kann viel und deftig essen, aber in der Früh … Mir wird etwas übel.
»Ich glaube, wir sind uns einig – natürlich nur, wenn du das auch willst«, fügt er eilig an, »es soll keine große Hochzeit werden, und dass es eine kirchliche Trauung gibt, habe ich ihr ausgeredet. Und: Es sollte schon bald geschehen, bevor es zu kalt wird. Du wolltest doch immer ein Gartenfest machen, was wäre mit einer Hochzeitsfeier als Gartenfest?«
Oskar strahlt stolz, er ist sich sicher, mir eine große Freude zu machen. Tatsächlich: Ein Gartenfest statt eines steifen, gesetzten Hochzeitsessens, das gefällt mir. Aber: »Wie wäre es mit Mai oder noch besser Juni?«, schlage ich vor.
»Wir dachten an einen Termin Mitte September.«
»Das ist in drei Wochen!«
»Wir wollen doch keine feierliche Aktion mit viel Tamtam, bloß ein nettes Fest. Und dann geht alles weiter wie bisher. Das heißt: Einen Termin habe ich schon ausgemacht: Ich kaufe endlich meine Wohnung. Damit fällt auch das Katzenverbot des Vermieters weg.«
Mir geht das alles viel zu schnell. »Wir haben keinen Garten für ein Fest«, werfe ich matt ein.
»Ich habe schon eine Idee: Unsere Kanzlei wickelt gerade den Verkauf eines sehr schönen Heurigen in Stammersdorf ab, er hat einen prächtigen Garten, der sich einen ganzen Weinberg hinaufzieht, ich könnte ihn für diesen Tag sicher bekommen. Und die Infrastruktur wäre dann auch da, und falls es regnet, könnten wir drinnen …«
So umtriebig kenne ich Oskar gar nicht, aber schön langsam wird mir klar, warum er in seinem Beruf so erfolgreich ist. Er kann eine ganze Menge zielstrebige Energie entwickeln.
»Ich möchte selbst kochen, kein Heurigenbuffet«, werfe ich ein.
»Das ist doch viel zu viel Arbeit. Und Heurigenbuffet gibt es ohnehin keines, der Heurige ist seit einigen Monaten geschlossen, auch das Personal ist weg. Endlich haben sich die Erben geeinigt, sodass er verkauft werden kann. Ich habe an Manninger gedacht, er könnte das Catering machen. Oder an deine alten Freunde Billy und Daniel.«
»Die will ich einladen, da sollen sie nicht arbeiten. Und Manninger … «
»Ich werde ihn anrufen, wenn du möchtest. Und wenn er Nein sagt, gibt es noch immer Jacques Lang vom pur.«
»Okay, frag Manninger. Und sag ihm, einen Teil mache ich selbst.«
Ganz zwanglos soll die Hochzeit ablaufen. Warum kann ich es nicht glauben? Ich versuche mich an der Idee eines Gartenfestes mit Freunden aufzurichten. Hängt doch nur von uns ab, was wir daraus machen. Und aus unserer Beziehung.
[ 9 ]
Wir passen Philipp vor der Schule ab. Er soll uns erklären, warum er gelogen hat. Wollte er tatsächlich seine Mutter schützen, oder hat er selbst mit dem Mord zu tun und will das jetzt vernebeln? Nach dem Motto: Wer sich selbst verdächtig macht, aber dabei lügt, der kann es nicht gewesen sein.
Philipp kommt mit zwei Gleichaltrigen durch das Tor, die Erleichterung auf dem Gesicht, an die ich mich noch aus meiner Schulzeit erinnern kann: wieder ein Tag überstanden, jetzt beginnt das Leben. Der Bursch neben ihm trägt Skaterhosen und ein T-Shirt mit der Aufschrift »Nazis raus« – was kann man dagegen schon sagen? Das Mädchen zieht ihre Jacke aus, das Top, das sie darunter trägt, lässt eine Menge Bauch sehen. Philipp scheint das nicht wichtig zu sein, er redet auf sie ein, schwenkt dabei eine alte Aktentasche. Wir haben uns nie überlegt, ob er eine Freundin hat. Vielleicht weiß sie etwas, das wir nicht so ohne weiteres erfahren …
Ich winke, sein Freund ist es, der ihn auf uns aufmerksam macht. Philipps Gesicht verschließt sich, nach ein paar kurzen Worten zu seinen Mitschülern kommt er langsam auf uns zu.
Es tut mir leid, ihn an all das zu erinnern, was er offenbar für einige Minuten oder auch Stunden vergessen konnte. Trotzdem, es muss sein. »Wir wissen, dass sich dein Vater um halb fünf mit jemand anderem getroffen hat«, sage ich. »Dafür gibt es Zeugen. Du kannst also nicht mit deinem Vater im Park gewesen sein.«
Er sieht mich forschend an. »Bin ich doch. Ich lüge nicht. Kann sein, dass es ein bisschen später war, ich hab nicht auf die Uhr gesehen. – Mit wem hat er sich getroffen?«
»Geht dich nichts an«, sagt Vesna. »Warum behauptest du so etwas? Weil du deine
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