Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi
sehr. Die beiden bleiben in der Tür stehen, in Schach gehalten von meiner Katze, ich scheuche Gismo weg, sie verzieht sich knurrend auf den Vorzimmerkasten. Die Beamten machen einen großen Bogen darum herum und sehen in allen Räumen nach. Da ist niemand. Vom Drohbrief erzähle ich nichts, aber ich überlege: Gibt es einen Zusammenhang? Ist er doch ernster zu nehmen, als wir gedacht haben?
Die beiden lehnen Kaffee, Wasser oder etwas Besseres ab und fragen, ob ich wirklich allein bleiben wolle. Ich nicke. Das bringt das Innere meines Kopfes in ungeahnte Schwingungen, alles dreht sich. Sie merken zum Glück nichts davon und gehen mit der Zusage, mir ein Protokoll zukommen zu lassen.
Ich muss nachdenken. Falls ich dazu imstande bin. Ich schenke mir einen großen Whiskey ein und setze mich in die Küche. Dass ich trotz allem nicht den traditionellen Tropfen Wasser vergesse, werte ich als gutes Zeichen, so sehr kann mein Kopf also nicht gelitten haben.
Man wollte mich nicht töten, man wollte mir einen Denkzettel verpassen. Der Jameson geht warm in den Magen hinunter, mit dem Magen ist alles wieder in Ordnung, und solange ich den Kopf nicht bewege, ist mir auch nicht schwindlig. Also ein rein physikalisches Problem, Mira.
Ein Geräusch. Ich bin mir sicher, auf dem Gang vor meiner Wohnung ein Geräusch gehört zu haben. Ich muss verrückt gewesen sein, allein hierzubleiben. Sie hätten mich zu Oskar fahren können – oje, Oskar –, oder ich hätte ins Krankenhaus sollen oder … Ich stehe auf und versuche lautlos zur Tür zu schleichen. Die Wunde am Hinterkopf pocht. Was ist, wenn sie platzt und ich in der Nacht verblute? Jetzt höre ich nichts mehr. Ich blinzle durch den Spion und denke an den Kriminalroman, in dem einer Frau durch den Spion hindurch ins Auge geschossen wird. Nichts. Halbdunkel. Wenn er sich ganz nah vor meine Tür gekauert hat … Ich will nicht länger zittern, in einem Atemzug drehe ich den Schlüssel um und reiße die Tür auf und falle im Schwung fast über das Stiegengeländer. Niemand da.
Ich schleiche wieder nach drinnen, drehe zum ersten Mal, seit ich hier wohne, auch das obere Sicherheitsschloss um, der Kopf dröhnt, ich trinke das Glas Whiskey in einem Zug aus. Seltsamerweise spüre ich keine Wirkung, ich werde nicht betrunken, obwohl ich den ganzen Tag über nichts gegessen habe, ich werde aber auch nicht ruhiger.
Ich rufe Vesna an, und sie verspricht aufgeregt, sofort zu kommen.
Sie haben mich schon einmal verprügelt, in der Hauseinfahrt. Aber das ist Jahre her, und es war eine ganz andere Geschichte. Vielleicht sollte ich doch zu Oskar ziehen.
Noch bevor Vesna da sein kann, läutet es. Ich gehe nicht zur Gegensprechanlage, ich rufe Vesna an.
Nein, natürlich stehe sie nicht vor meiner Tür, sie sei auf dem Weg, aber sie brauche noch zehn Minuten.
Es läutet wieder. Ich gerate in Panik, aber solange ich ihn nicht ins Haus lasse … Beim dritten Mal ist es das Telefon. »Zuckerbrot da, seien Sie so freundlich und lassen Sie mich endlich hinein.«
»Und woher sollte ich wissen, dass Sie es sind?«
»Wie schade, dass wir keine Kennmelodie haben«, ätzt er und fügt dann hinzu: »Tut mir leid, wie geht es Ihnen? Alles okay?«
Ich drücke den Summer.
Ich sehe erneut durch den Spion, es ist tatsächlich Zuckerbrot, der die letzten Stufen zu meiner Wohnung erklimmt, ziemlich rasch und ohne schwer zu atmen. Er schießt auch nicht durch den Spion auf mich, ich lasse ihn herein.
»Wollen Sie nicht zusperren?«, sagt er und starrt mir ins Gesicht. Ich muss doch schlimmer aussehen, als ich glaube.
»Mit dem Leiter der Mordkommission im Haus …«, versuche ich zu spotten. »Außerdem kommt Vesna gleich, ich konnte ja nicht ahnen, dass Sie …«
»Ab und zu funktioniert auch bei uns die Kommunikation«, erwidert Zuckerbrot. »Gut, ich gebe zu, es war ein Zufall. Ich war gerade wegen einer völlig anderen Sache im Bezirkskommissariat, als zwei Beamte darüber stritten, wie Valensky geschrieben wird, da bin ich natürlich hellhörig geworden.«
Ich führe ihn zu meinem großen Tisch im Wohnzimmer, räume Zeitungen und Werbeprospekte, Post, Papiertaschentücher, Kekse beiseite und bitte ihn, sich zu setzen.
»Was zu trinken?« Worüber soll ich mit ihm reden, wenn ich selbst noch keine Ahnung habe, was geschehen ist?
»Was haben Sie gerade getrunken?«
Eigentlich will ich Tee oder Kaffee oder so etwas sagen, aber offenbar arbeitet mein Hirn doch noch nicht ganz richtig, also sage
Weitere Kostenlose Bücher