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Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Abend ein wasserdichtes Alibi hat.«
    »Ich wollte, dass ihr endlich nach anderen Verdächtigen sucht«, sagt er, und es klingt traurig. »Es war ein abgebrochener Eishockeyschläger. Und … ich wollte Sie nicht verletzen, es war nur so … Ich weiß nicht, was ich wollte, ich bin da gestanden … Sie waren so nah, und wenn Sie mich gesehen hätten … Und danach sind Sie gegen die Tonne geknallt, und ich habe nicht gewusst, was ich tun soll.«
    »Du bist davongelaufen.«
    »Ja, aber erst, als Sie mich festhalten wollten. Da hab ich mir gedacht, so schlimm kann es nicht sein, ich hab ja auch gar nicht richtig fest zugeschlagen.«
    »Mir hat es gereicht«, knurre ich. »Du hast dich am Mordtag nicht mit deinem Vater getroffen, richtig?« Das sage ich beinahe flehentlich.
    »Doch.«
    »Es geht sich nicht aus.«
    »Ich hab kein Zeitgefühl, da können Sie viele fragen.«
    »Quatsch: Dein Vater hat sich zuerst mit deiner Mutter getroffen, danach, um 16.20 Uhr, mit Peter Königsberger. Der gibt an, dass er um spätestens 16.30 Uhr wieder aus dem Auto gestiegen ist, dein Vater ist um zirka 17 Uhr im Steinbruch ums Leben gekommen. Da geht sich kein weiteres Treffen mehr aus, im Gegenteil, es war alles ziemlich knapp.«
    »Dann … war es vielleicht nach dem Treffen mit meiner Mutter und vor dem mit Peter.«
    »Vergiss es. Und du hast auch erfunden, dass dein Vater mit der Sprechstundenhilfe ein Verhältnis gehabt hat. Weißt du, was es uns an Zeit kostet, solchen falschen Spuren nachzugehen?«
    »Nein«, schreit er auf, »das habe ich nicht erfunden, das ist es ja, ihr glaubt mir gar nichts, deswegen habe ich euch herausfordern müssen.«
    Ich räuspere mich: »Weißt du, es ist sehr schwer, jemandem zu glauben, der lügt und die Wahrheit sagt.« Und nachdem ich es ausgesprochen habe, ist mir klar: Genau das ist der Punkt.
    Philipp schweigt. Wir schweigen auch. Vor uns kommt ein Hase hinter einem Busch hervor, setzt sich auf, schnuppert in die Luft, saust Richtung Feldweg davon.
    Von ferne hört man den Lärm der Autobahn.
    Ein Flugzeug über uns.
    Vesna scharrt mit der linken Schuhspitze.
    »Bringen Sie mich zur Polizei«, sagt Philipp dann. »Ich war es.«
    Wieder Schweigen. Ich denke an nichts, sehe die Sonne hinter einer kleinen Wolke verschwinden und wiederkommen.
    »Wir bringen dich nach Hause«, erwidere ich dann. »Warum glaubst du, dass es deine Mutter war?«
    Philipp schüttelt nur den Kopf.
    Wir laden ihn und sein Mountainbike vor der Wohnung der Hofers ab. Er sieht zu Boden, nimmt dann das Rad, sucht nach seinem Haustorschlüssel, sperrt auf, schiebt das Rad hinein, die schwere Tür fällt hinter ihm zu.
    »Es ist richtige Entscheidung.«, sagt Vesna.
    Aber sicher sind wir uns beide nicht.

[ 12 ]
    Ich stehe in der Küche und löse Wachteln aus. Dazu schneidet man mit einer scharfen Schere das Rückgrat der kleinen Vögel heraus und legt sie dann flach auf ein Brett. Kleine, blasse Leichen. Ihr Skelett ist so zart, dass man kein Messer, nicht einmal besonders kräftige Hände braucht, um den Brustknorpel zu brechen. Ich fühle die winzigen Rippen der Wachtel, fingere sie vorsichtig heraus, dann die Schulterblätter, die Hüftknochen. Nur die Schenkelknochen lasse ich ihr, neunundzwanzig ausgelöste Wachteln liegen nun sorgsam geschichtet in einer Schüssel, nun wartet die letzte darauf, entbeint zu werden.
    Ich koche für meine Hochzeit. Mit Kardamomfarce gefüllte Wachteln. Morgen soll das sein, was meine Mutter »deinen großen Tag« genannt hat. Vater und Mutter sind bereits angereist, sie wohnen zum Glück im Hotel. Manche Dinge bekommen eine Eigendynamik, die niemand mehr aufhalten kann. Gerade noch bin ich mit Gerda und ihren Freundinnen auf den Stühlen einer Bar gestanden, und wir haben zu viel Chardonnay auf die Liebe und das Ende einer langen Beziehung getrunken.
    Wir haben Gerda nichts davon gesagt, was Philipp getan hat. Ich weiß, wir hätten zumindest mit seiner Tante, der Psychologin, reden sollen. Aber selbst wenn er der Mörder ist: Will ich, dass er in eine Jugendstrafanstalt kommt? Und sollte Gerda es gewesen sein: Niemand darf über Leben und Tod eines anderen entscheiden, aber wem nützt es, wenn sie im Gefängnis landet? In diesem Fall ist eine Wiederholungstat wohl ausgeschlossen, und sie selbst ist es, die mit den Folgen, mit den Bildern und Erinnerungen leben muss.
    Die Versicherungsgesellschaft, bei der Dr. Hofer die Lebensversicherung abgeschlossen hat, wollte, dass Vesna für sie

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