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Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Verschieden - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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ermittelt. Vesna hat abgelehnt.
    Ich knacke den letzten Brustkorb, taste nach den letzten Knöchelchen, die Hände sind klebrig von Haut und Blut und Fleisch. Ich wasche sie mir gründlich mit Seife und warmem Wasser.
    Die Putenbrust habe ich schon durchfaschiert und kalt gestellt. Jetzt hole ich sie wieder heraus und mische das Faschierte mit zwei Eiern, viel Kardamom aus der Mühle, Pfeffer, Salz, etwas Paprikapulver für die Farbe, viel Obers, geschnittenem Petersil und drei Eiswürfeln. Schnell muss das gehen, bei einer Farce ist es wichtig, dass sie kalt bleibt. In meinem Cutter wird die Farce nun verbunden: immer wieder nur zwei, drei Esslöffel und noch Obers dazu, kurz durchmixen, sofort wieder kalt stellen und die nächsten zwei, drei Löffel in den Cutter. Die mechanische Tätigkeit macht mich ruhig.
    In zwei Stunden werde ich zur Generalprobe der Hochzeit erwartet. Die Mütter haben darauf bestanden. Mütter, und wozu sie imstande sind. Ob meine Mutter je eine Scheidung erwogen hat? Wie hätte Vater sich verhalten, wenn sie ein Verhältnis gehabt hätte? Aber so etwas kommt mir ausgeschlossen vor. Meine Mutter ein Verhältnis? Vielleicht ist es Philipp ähnlich gegangen. Oder denken die Kids da heute ganz anders? Und wie wäre ich mit einem Vater umgegangen, der plötzlich alles tut, um meine Mutter zu ruinieren?
    Ich koste die cremige Farce und bin zufrieden.
    Der Bauchraum jeder Wachtel wird mit Farce gefüllt, mit der Öffnung nach unten setze ich sie dicht nebeneinander auf ein befettetes Backblech. Geduckt hocken sie da, kahl wie nach einem Giftgasangriff. Ich sollte wirklich positivere Gedanken haben. Vor einer Hochzeit – vor meiner Hochzeit. Wir haben die Kühlanlage im Heurigenlokal reaktiviert, dort werden die Wachteln ebenso die Nacht verbringen wie die Hühnerteile, die ich nach einem karibischen Rezept von Rosemary gebeizt habe. Morgen werden sie von Manningers Crew fertig gebraten. Ich denke an Rosemarys Sohn Thomas, den ehemaligen Weltklasseläufer und Rezeptionisten auf der kleinen Karibikinsel St. Jacobs. Jetzt ist er Resident Manager im Pleasures, ich sollte ihm zumindest eine Mail schicken. Er war der Einzige, mit dem ich Oskar je betrogen habe. – Was ist Betrug? Es hatte nichts mit Oskar und mir zu tun, sondern mit dieser ganz speziellen Nacht und irgendeiner Sehnsucht.
    Wie war das mit Oskar und der Anwältin Angelika Beer? Ihre Affäre in Frankfurt hat länger als eine Nacht gedauert. Angelika Beer wird übrigens morgen zur Hochzeit kommen. Kein Problem für mich, zumindest rede ich mir das ein.
    Ich öffne meinen randvollen Kühlschrank und koste von den vorbereiteten Sarde in saor, einer venetischen Spezialität und einem von Oskars Lieblingsgerichten: gebratene Sardinen in einer Sauce aus gedünsteter Zwiebel, Rosinen, Prosecco, Essig, Lorbeerblatt und Pinienkernen. Passt. Schmeckt nach dem Veneto.
    Ich gehe zu meinem Computer, schicke Thomas tatsächlich eine Mail und denke mir, warum sollte ich nicht zum Flughafen fahren und jetzt sofort in die Karibik fliegen? Wer könnte mich hindern? Was würde geschehen? Wäre Oskar imstande, sich so gegen mich zu wenden, wie es Dr. Hofer getan hat, der treu sorgende Familienvater und hingebungsvolle Arzt? Es hat wohl eine Zeit gegeben, in der auch Gerda nicht für möglich gehalten hat, dass ihre Beziehung einmal in die Brüche gehen könnte.
    Vielleicht sollte ich einfach aufhören, alles wissen zu wollen. Ich seufze und kehre zu näher liegenden Überlegungen zurück. Wie bringe ich Wachteln, Hühner, Sarde in saor und zwei große Formen mit Vitello tonnato so in meinem kleinen Fiat unter, dass alles gut beim Heurigen ankommt?
    Generalprobe der Hochzeit. Du liebe Güte. Jedenfalls kein Grund, mich umzuziehen, finde ich. Die Mütter werden da sein, Manninger soll um diese Zeit liefern, Vesna kommt, Droch findet, er schafft seinen Part als Trauzeuge ohne vorherige Übungen, und Oskar schlichtet wahrscheinlich jetzt gerade mit Eva Berthold Wein ein. Es schmeichelt mir, wie sehr er sich über die Hochzeit zu freuen scheint. Oder ist das etwa schon das erste Zeichen dafür, dass er anders ist, als ich geglaubt habe? Dass ihm solche Formalakte doch ziemlich wichtig sind?
    Ich schüttle den Kopf. Ich werde mich im Laufe der Jahre verändern, er wird es auch tun. Und trotzdem bleiben wir irgendwie immer die, die wir sind. Die Frage ist nur: Werden wir in dieselbe Richtung gehen?
    Gismo ist aufgewacht und brüllt hinter der Schlafzimmertüre.

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