Verschleppt
argwöhnisch.
Sie holte eine Packung Kaugummi aus der Tasche und hielt sie ihm hin. »Auch eins?«
»Nein.«
Die nächste Gelegenheit, auf die Autobahn zu fahren, kam in Sicht. Zu ihrer Erleichterung bog Robby diesmal doch ab und zog das Tempo an, um sich einzufädeln. Erst einen Augenblick später wurde ihr bewusst, dass sie jetzt nicht um die Stadt herumfuhren, sondern sich im Gegenteil von ihr entfernten.
Joyce biss die Zähne zusammen und versuchte, Ruhe zu bewahren.
»Warum kommst du alleine?«, fragte er. »Das macht ihr doch sonst nie.«
»Ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen. Wenn dich jemand mit einer Frau zusammen sieht, denkt er sich nichts dabei, verstehst du?«
Das schluckte er anscheinend. Zumindest hoffte sie das. Er brummte etwas Undeutliches vor sich hin, nahm eine Zigarette aus der Packung und steckte sie an. Der Rauch verteilte sich im Wagen und stieg Joyce beißend in Augen und Nase.
Sie hustete und machte das Fenster einen Spalt breit auf. Vor fünf Jahren hatte sie aufgehört zu rauchen. Dass sie früher mal eine ganze Schachtel am Tag weggepafft hatte, kam ihr mittlerweile ziemlich sonderbar vor.
Eine Weile sagte keiner von beiden ein Wort. Morgens um zehn vor halb vier waren hier nur wenige Pkw unterwegs. Die meisten anderen Fahrzeuge, die sie nach und nach überholten, waren Lastwagen mit Kennzeichen aus den früheren Ostblockländern.
Robby trommelte nervös auf dem Lenkrad herum. Joyce behielt ihn im Auge, während sie für sich noch einmal die Fragen durchging, die sie ihm stellen wollte. Wahrscheinlich bekam sie keine zweite Gelegenheit, ihm die Infos aus der Nase zu ziehen, die sie so dringend brauchte.
Zugleich war ihr durchaus bewusst, dass sie sich immer weiter von der Stadt entfernten.
»Vielleicht solltest du demnächst lieber umkehren«, sagte sie so ruhig wie möglich. Und als keine Antwort kam, fügte sie hinzu: »Wo fahren wir eigentlich hin?«
»An einen Ort, wo wir uns in Ruhe unterhalten können. Das wolltest du doch, oder?«
»Das können wir aber auch jetzt schon tun.«
»Na, dann mal los. Was willst du wissen?«
»Was macht die Frau bei Maxim? Arbeitet sie dort?«
Robby nahm einen Zug von seiner Zigarette und schüttelte den Kopf. »Da spreche ich lieber nicht drüber, okay? Das ist ’ne ernste Sache.«
»Wenn du dazu nichts sagen willst, warum machst du dann dieses Foto? Dass die CIE sich da ein paar Fragen stellen würde, konntest du dir doch denken, oder?«
Erschrocken wandte er ihr den Kopf zu. Starrte dann wieder geradeaus. »Moment mal. Woher wisst ihr eigentlich, dass die Tussi Niederländerin ist?«
»Die Frau.«
»Die Tussi.«
»Wird sie gegen ihren Willen festgehalten?«
Robby gab ein verächtliches Schnauben von sich. »Was glaubst du wohl?«
»Von wem? Von Maxim?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht von Maxim, nein. Dem hängt das auch zum Hals raus. Der muss das nicht haben, das kannst du mir glauben. Ich auch nicht. Überhaupt niemand. Er hat keine Wahl, verstehst du.«
»Nein, versteh ich nicht.« Joyce blickte nervös um sich. Robby hatte die Autobahn verlassen, jetzt fuhren sie auf einer verlassenen Landstraße. Sie kannte die Gegend. Sie waren unterwegs in Richtung Valkenhorst, ein Naturschutzgebiet.
»Wie ist sie bei Maxim gelandet?«, fragte Joyce.
Das Getrommel auf dem Lenkrad wurde energischer. »Da ist plötzlich ein Typ gekommen und hat sie angeschleppt. Wir mussten sie die Treppe hochhieven. Die konnte sich kaum auf den Beinen halten. Halb tot. Wir haben sie an die Heizung gekettet, oben in dem kahlen Zimmer. Kennst du das? Das ist quasi ihre Zelle. Ich bringe ihr immer Essen und Trinken.« Er verzog das Gesicht. »Sie pisst auf die Matratze.«
Joyce wurde immer unruhiger, Sekunde für Sekunde. Das Ganze war noch schlimmer, als sie vermutet hatte. Sie musste es ihren Vorgesetzten melden. Sofort. Jetzt gleich dort anrufen und deutlich machen, dass es ernst war. Wie sie erklären sollte, dass sie überhaupt von der dort angeketteten Frau wusste, konnte sie sich später noch überlegen. Es war ganz einfach. Wenn sie jetzt anrief, war eine Stunde später ein Einsatzteam dort. Und Susan war frei.
»Was für ein Typ, Robby? Wer hat sie gebracht?«
»Er wird Wadim genannt. Wie er weiter heißt, weiß ich nicht. Jedenfalls ein Russe.«
»Und sie haben Angst vor ihm, oder wie?«
»Tierisch, das kannst du mir glauben. Der Typ ist ’ne harte Nuss. Angeblich hat er schon mehr als hundert Leute um die Ecke
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