Verschleppt
sicherzugehen, dass sie den Richtigen erwischt hatte. Viel hätte sie allerdings kaum falsch machen können. Imponierende Muskelmasse, dicker Hals, reine Haut. Zurückweichender Haaransatz mit Geheimratsecken, nach hinten gekämmte, dunkelblonde Strähnen, kleine Augen, stechender Blick und Lippen, die einen geraden Strich bildeten, wie bei einem Froschmaul. Deutliche Bierfahne.
»Robby Faro?«
»Wer zum Teufel bist du denn?«, flüsterte er leise, um die Nachbarn nicht zu alarmieren.
»Joyce Landveld, CIE. Ich habe ein paar Fragen an dich.«
»Hau ab. Ich geh jetzt ins Bett.«
Sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Erst wenn du mir meine Fragen beantwortet hast.«
»Ich weiß nichts.«
»Quatsch nicht rum. Ich bin eine Kollegin von René.«
»Ach ja?«
»Wir sind an Maxim Kalojew dran. Es geht um Fotos, die du da gemacht hast.«
Er erstarrte kurz, schaute sich um und murmelte: »Ich hab keine Lust auf solches Gequatsche, hier vor meiner Hütte.«
»Kann ich verstehen. Vielleicht sollten wir …« Mit einem Nicken deutete sie auf seinen BMW.
Er atmete tief durch. »Ich hab keinen Bock auf diesen Scheiß, verdammt!« Leise fluchend stiefelte er zu seinem Wagen zurück. Als er mit der Fernbedienung die Zentralverriegelung öffnete, gab das Auto einen kurzen Pieplaut von sich und blinkte mit den Scheinwerfern.
Joyce stieg auf der Beifahrerseite ein. Das Wageninnere roch stark nach Kunststoff und Öl. Mechanisch kontrollierte sie das Seitenfach, tastete die Fläche unter dem Sitz ab und zog das Handschuhfach auf. Taschentücher, ein paar frische Putzlappen und ein paar Bonusmarken von Shell.
Sie hätte das Auto schon vorher untersuchen sollen, kam ihr plötzlich in den Sinn. Vielleicht lag ja unter dem Fahrersitz eine Waffe, oder es steckte eine in dem anderen Seitenfach. Möglicherweise trug Robby eine am Körper.
Sie konnte nur hoffen, dass ihre schlechte Vorbereitung sie nicht teuer zu stehen kam.
Er ließ den Motor an, setzte den Wagen zurück, riss das Lenkrad herum und drückte aufs Gas. »Na los, wünsch dir was!«
»Egal. Richtung Motel Eindhoven oder so.«
Er schaltete und bog nach links ab. »Also, was ist jetzt mit Maxim?«
»Wir brauchen ein paar Infos.«
»Warum kommt René nicht selbst?«
»Weil diesmal ich mit den Ermittlungen zu tun habe und nicht er. Ich brauche ein paar zusätzliche Angaben.«
»Bei Maxim war gerade erst eine Razzia. Wenn ihr da jetzt schon wieder aufkreuzt, krieg ich unter Umständen eine ganze Menge Ärger, verstehst du? Ehrlich. Das fällt dann nämlich echt auf.« Er starrte vor sich auf die Straße und murmelte: »Verdammt, ey. Scheiße.«
Joyce wartete das Ende seiner Flucherei nicht ab. Sie wollte Antworten von ihm bekommen, und zwar bevor er anfing, über diese Vernehmung kritisch nachzudenken. »Da wird eine Niederländerin festgehalten«, sagte sie. »Warum hast du das nicht gemeldet? Dass die Frau Niederländerin ist?«
Robby zuckte mit den Schultern. »Wer behauptet, dass sie da festgehalten wird? Vielleicht will die Kleine das ja so.«
Joyce ignorierte den Unterton in seiner Stimme und dachte wieder daran, dass Robby unter anderem auch wegen sexueller Übergriffe verurteilt worden war. »Du hast die Fotos abgegeben, aber ›vergessen‹ dazuzusagen, dass es um eine Niederländerin geht? Das kann doch wohl kein Zufall sein.« Sie deutete mit der Hand auf eine Abzweigung. »Fahr doch auf die A67, dann machen wir eine kleine Runde um die Stadt.«
Ohne zu reagieren fuhr er an der Ausfahrt vorbei. Obwohl er sie genau verstanden hatte.
Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Jacke und fühlte in der Innentasche nach. Sie war noch da. Die nicht registrierte Walther TPH, eine leichtgewichtige Pistole von nicht einmal 14 x 10 cm. 325 Gramm schwer und richtig pfiffig. Wenn man eine Waffe suchte, die unauffällig am Körper zu tragen sein sollte, war sie unübertroffen. Ein deutsches Fabrikat mit einer Magazinkapazität von sechs 22er-Geschossen. Ein kleines Kaliber, aber nicht weniger tödlich als ein .45er, ein .380er oder ein 9-mm. Manchmal sogar ganz im Gegenteil, denn solche Munition konnte im Körper stecken bleiben und dort beträchtlichen Schaden anrichten. Joyce hatte die TPH vor einem halben Jahr während einer Razzia, bei der sie auf ein Waffenlager gestoßen waren, unterschlagen. Was lohnsteuerfreie Zuwendungen anging, konnte sie über ihren Job wirklich nicht klagen.
»Was hast du da?«, hörte sie ihn fragen. Seine Stimme klang
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