Verschleppt
gebracht. Früher hatte er noch einen Bruder, einen Zwillingsbruder. Eineiig, meint Maxim. Sie haben immer zusammengearbeitet. Wenn’s irgendwo brannte, waren immer die beiden dran. Bei einem Auftrag in Frankreich oder so hat der Bruder dann den Löffel abgegeben, und seitdem arbeitet der andere allein.«
»Wann war das?«
»Letztes Jahr, glaube ich.«
»Weißt du den Nachnamen? Von Wadim?«
»Nein.« Robby schaltete einen Gang herunter und bog in eine schmale, von Wald flankierte Asphaltstraße ein. Ein paar Laternen, keine einzige brannte. Außer am Wochenende war diese Gegend komplett verlassen.
»Und wie hieß der Bruder?«
Er schüttelte den Kopf. »Weiß ich auch nicht.«
Sie glaubte ihm. »Weißt du, ob Wadim mal festgenommen worden ist, ob es eine Akte über ihn gibt? Ist er vielleicht vorbestraft?«
»Keine Ahnung. Ich glaub’s kaum. Solche Typen erscheinen gar nicht erst auf der Bildfläche, die lassen sich nicht kriegen. Bleiben unsichtbar. Soweit ich es verstanden habe, arbeitet er in ganz Europa. Wenn irgendwo die Kacke am Dampfen ist, ist der ganz schnell weg.«
Sie fuhren jetzt eine Sackgasse hinunter, links Wald, rechts Wasser. Laternen gab es gar keine. Die Straße vor ihnen wurde lediglich von den bläulichen Scheinwerfern erhellt.
»Wie sieht er aus?«
In groben Zügen beschrieb Robby Wadims Äußeres. Fuhr immer langsamer und hielt schließlich vor einer hölzernen Schranke an, die das Ende der Straße markierte. Dahinter lag eine Art mit Gras bewachsener Deich. In der Verlängerung der Straße verlief sich eine Wagenspur.
Robby brachte den Schaltknüppel in Parkposition. Im Leerlauf war der Motor fast unhörbar. Das Wageninnere wurde vom Licht des Armaturenbretts schwach erleuchtet. Draußen war es stockdunkel. Im Wasser spiegelte sich ein weißer Mond, und in der Ferne, weit hinter den pechschwarzen Baumkronen, deutete eine orangefarbene Glut auf die Stadt hin.
Robby sah sich zufrieden um und grinste über beide Ohren. »Okay, schön still hier.« Er beugte sich zu ihr hinüber. »Also, Püppchen, was meinst du, machen wir’s uns hier ein bisschen gemütlich?«
Joyce blickte starr geradeaus. »Bringen sie sie um, Robby?«
Er zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen?«
»Du bist lang genug dabei. Was meinst du? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit?«
Robby legte eine Hand auf ihren Oberschenkel und strich mit dem Daumen über ihre Jeans. »Lang genug, um Maxim und die anderen Typen da abschätzen zu können, aber Wadim kenne ich nicht. Was weiß ich, was er mit ihr vorhat, aber falls du nichts dagegen hast, verzichte ich lieber drauf, ihn zu fragen.«
Sie nahm seine Hand und legte sie auf seine Seite zurück. »Da hab ich durchaus was dagegen. Dafür bist du schließlich engagiert worden.«
»Von René, ja. Aber nicht von dir.« Er sah sie geringschätzig an und senkte die Stimme um eine Oktave. »Hier geht’s doch um was anderes, oder?« Robby beugte sich bedrohlich zu ihr hinüber. Seine Augen funkelten in der Dunkelheit.
Joyce blieb regungslos sitzen. Schätzte ab, welche Chancen sie hatte. Wenn sie jetzt noch ihre Waffe zu ziehen versuchte, wäre er schneller. »Komm wieder runter, Robby«, sagte sie leise, aber mit einem Unterton, der hoffentlich bedrohlich genug war, um ihn zu entmutigen.
»Komm wieder runter, Robby«, äffte er sie nach. Hob die Brauen und schüttelte theatralisch den Kopf. »Verdammt. Und so was kreuzt mitten in der Nacht bei mir auf … Dumme Schnepfe. René weiß von nichts, oder? Du bist auf eigene Faust hier, stimmt’s?«
Sie schwieg.
Er legte den rechten Arm auf ihre Kopfstütze, während er die linke Hand am Lenkrad ließ. Brachte sein Gesicht ganz nahe an ihres. »Bist du geil auf Kriminelle, Joyce? Macht dich das feucht zwischen den Beinen? So ein kleines Verhör im Dunkeln, in einem Auto? Du bist nicht die erste Antillen-Hure, die ich in diesem Auto durchgefickt hab.«
»Ich komme aus Surinam«, sagte sie eiskalt. »Und an deiner Stelle würde ich …«
»Schwarz ist schwarz, und Fick ist Fick.«
Sie hob die Stimme. »Würdest du dir bitte mal vergegenwärtigen, mit wem du hier redest? Wenn ich es will, wanderst du morgen in den Knast.«
Er grinste. »Ah, verstehe. Und wenn ich es will, kannst du in den nächsten Wochen auf keinem Stuhl mehr sitzen …« Seine Finger fuhren ihr ins Haar, seine Stimme bekam einen pseudovertraulichen Tonfall. »Hältst du mich für minderbemittelt? Kein Schwein weiß, dass du hier
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