Verschleppt
er über die Rezeptionistin vermutlich nicht hinausgekommen wäre.
Er stellte den leeren Becher ins Becken und öffnete seine Reisetasche. Ein muffiger Geruch stieg daraus auf. Alle dreckigen Klamotten holte er heraus und warf sie neben der Badewanne auf einen Haufen. Ließ warmes Wasser einlaufen und goss aus einer kleinen Flasche vom Wannenrand ein wenig Shampoo hinein. Shampoo war ein hervorragendes Waschmittel, wie er von Susan gelernt hatte.
Die kleine Flintstones -Melodie hatte sich in seinem Kopf festgesetzt und ließ sich nicht vertreiben. Vielleicht weil er auf der Suche nach jemandem mit Namen Flint war. Die Synchronizität war auffällig, das Wort Flint nahm allmählich geradezu magische Dimensionen an. Während er die Melodie leise vor sich hin pfiff, ging er zu dem tragbaren Fernseher und schaltete ihn ein. Es gab ausschließlich französische Sender mit Talkshows. Lachen und Gerede erfüllten den Raum.
Er ging zurück ins Bad, warf die Kleidung in die Wanne und spülte sie aus. Eine knappe Viertelstunde später wrang er möglichst viel Wasser aus seinen Hosen und Hemden, bevor er sie zum Trocknen über die Terrassenstühle hängte. Dann ging er wieder hinein.
Schaute auf die Uhr. Halb drei.
Falls der misstrauische Deutsche gegen Ende des Nachmittags immer noch nicht angerufen hätte, würde er sich von Brigitte die Pages Jaunes leihen, eine Kopie der betreffenden Seite machen und sämtliche Krankenhäuser der Umgebung persönlich abklappern. Mit Händen und Füßen, Stift und Papier musste das sprachliche Handicap ja wohl zu überwinden sein.
Zumindest war es besser als auf einen Anruf zu warten –von dem man nicht mal wusste, ob er kam. Vielleicht war es ja die Gewohnheit der Legionäre, Leute wie ihn zu Brigitte zu schicken, damit die Familie Duchamps auch in der Spätsaison immer genügend Gäste hatte. Dann saßen die Männer jetzt womöglich in ihrer Kneipe, tranken ihren selbst angebauten Wein und lachten sich kaputt über den deutschen Holländer, den sie auf Abruf nach Bedrock geschickt hatten.
Arschlöcher. Fast meinte er, ihr Gelächter hören zu können.
Ein Ticken an der Glasscheibe. Erschrocken sah er auf. Brigitte stand mit einem Telefon in der Hand draußen und winkte.
Er zog die Glastür auf und nahm das Telefon entgegen. »Hallo?«
»Monsieur Maieùr?«
»Ja.«
»Gute Neuigkeiten: Monsieur Flint ist nach Hause gekommen. Er möchte Sie sprechen.«
38
Der Deutsche nahm ihn mit zu den Wohnräumen der Veteranen. Das lange, schmale Gebäude war eindeutig jüngeren Datums als die um den Innenhof gruppierten Bauten. Es befand sich auf einem etwas tiefer gelegenen Gelände, und Schilder wiesen darauf hin, dass Besucher hier nicht willkommen waren. Jeder hatte sein eigenes Zimmer, ließ Maier sich erklären, mit Fernseher und Bett. Es gab für niemanden Grund zu klagen. Alles war perfekt arrangiert von der Fremdenlegion.
Trotzdem machte der Deutsche keinen besonders glücklichen Eindruck.
»Niemand wohnt hier ganz aus freien Stücken«, sagte er auf Maiers Nachfragen hin nur und ging nicht weiter auf ihn ein.
An der vorletzten Tür auf dem Flur klopfte er zunächst an, dann öffnete er sie für Maier und machte sich lautlos davon.
Zögerlich trat Maier ein. Der Raum war etwa fünf Meter lang und ebenso breit; er bot ein Minimum an Komfort. Die Vorhänge waren aufgezogen. Durch die dünnen Gardinen fiel spärliches Licht ein. Hinter dem durchsichtigen Stoff eröffnete sich der Blick in das Tal. In weiten S-Kurven schlängelten sich Reihen von Weinstöcken auf das Mittelmeer zu.
Flint lag in einem hochbeinigen Metallbett. Das Kopfende war in einem Winkel von etwa fünfzig Grad aufgestellt. Der Kopf des Mannes ruhte auf einem Stapel flacher Kissen mit weißen Baumwollbezügen. Sein Körper war durch ein weißes Laken und eine olivgrüne Decke zum Teil den Blicken entzogen, aber die Konturen waren deutlich zu erkennen. Er war groß. Mindestens so groß wie Maier selbst, aber er sah zerbrechlich aus. Mager.
Flints Hände lagen gefaltet auf der Decke, und seine Augen waren geschlossen. Die Haut sah gegerbt aus, als hätte er sein Leben lang an der frischen Luft gearbeitet, stets der Sonne ausgesetzt.
»Da bin ich«, sagte Maier auf Deutsch. Seine Stimme zitterte leicht.
»Ich weiß.« Flint schlug die Augen auf und sah ihn forschend an. Blicke aus blauen Augen, die mit gezügeltem Eifer jeden Zentimeter von Maiers Körper abtasteten und schließlich auf seinem Gesicht
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