Verschleppt
reagierten ansonsten nicht.
»Möglich, dass er hier arbeitet«, fuhr Maier fort. »Oder hier wohnt … kennen Sie ihn?« Er sah die beiden eindringlich an. Sie zeigten sich nicht sonderlich beeindruckt.
»Peut-être« , sagte der Lange. Maier musste sich große Mühe geben, zwischen den elektronischen Lauten, die das Loch in seiner Kehle verließen, einzelne Worte zu erkennen. »Vielleicht.«
»Sie selbst kennen ihn nicht?«, fragte der Kleine. »Sie wissen gar nicht, wen Sie eigentlich suchen?«
Ihn . Jetzt war es offiziell. Keine Sandra oder Sonja. Flint war ein Mann.
Maier schüttelte den Kopf. »Ich kenne nur den Namen.«
»Warum suchen Sie ihn?«
Er holte tief Luft. Rieb sich übers Kinn, das sich anfühlte wie Schmirgelpapier. Seit zwei Tagen hatte er sich nicht rasiert. Dann sah er wieder die Männer an. Was ihm jetzt bevorstand, kostete ihn Mühe.
»Meine Mutter ist gestorben, als ich acht Jahre alt war. Sie liegt in München begraben. Letzte Woche habe ich zum ersten Mal ihr Grab besucht. Flint bezahlt das Grabrecht. Schon sehr lange. Ich möchte mit ihm reden, herausfinden, wer er ist.«
Der Belgier lächelte. Suchte den Blick des Deutschen, der Maier noch immer forschend ansah.
»Er ist heute im Krankenhaus«, sagte der Deutsche schließlich.
»Sie kennen ihn?«, fragte Maier hoffnungsvoll.
Der Mann nickte. »Und ob wir den kennen.«
»Wohnt er hier? Arbeitet er hier?«
»Jetzt wollen wir mal nicht übertreiben.«
Maier biss die Zähne zusammen. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Diese Soldaten wirkten wie eine Art Zulassungskommission, die ihn taxierte und eine Einschätzung seiner Person vornahm, auf der Grundlage von … ja, wovon eigentlich? Von Intuition? Vom ersten Eindruck?
»Ist Flint ehemaliger Soldat?«
Die Männer nickten, fast unmerklich. »Légionnaire« , korrigierten sie ihn beide gleichzeitig.
Allerlei Möglichkeiten schossen ihm durch den Kopf, sprangen wie Murmeln darin auf und ab, eine ungestümer als die andere.
»Ist er krank?«
Der Belgier nickte zustimmend, woraufhin er von seinem Freund fast unmerklich zurechtgewiesen wurde. Daraufhin wandte er den Kopf ab und grinste entschuldigend.
Kurz begegneten sich ihre Blicke. Der Belgier hätte ihm gern alles erzählt, las Maier in diesen Augen, bis ins letzte Detail, mit dem größten Vergnügen. Aber sein Freund, der Deutsche, hatte anders entschieden. Und der stand in der Hackordnung eindeutig höher.
»Wie heißen Sie?«, fragte der Deutsche. »Ihr offizieller Name?«
Dieses einseitige Verhör versetzte Maier allmählich in gereizte Stimmung, aber wütend zu werden hätte ihn jetzt auch nicht weitergebracht. Eher im Gegenteil. Er stand hier nicht im Ladengeschäft von Hesselbach & Co., wo er sich mit einer großen Klappe und plumper Gewalt hatte durchsetzen können. Diese Männer hier mochten zwar alt sein, doch strahlten sie eine natürliche Überlegenheit aus, die ihm Respekt abnötigte. Den Webseiten zufolge, die er heute Nacht angeschaut hatte, waren viele Fremdenlegionäre während ihrer aktiven Dienstzeit permanent im Krieg, wurden von einem Brandherd zum nächsten geschickt. Schwer zu sagen, was die beiden Männer, denen er jetzt gegenüberstand, schon alles mitgemacht hatten.
»Silvester Maier«, sagte er schließlich.
»Aus München?«
»Ja.«
»Gestern war noch die Rede von den Niederlanden«, erwiderte der Deutsche, indem er mit den Fingern auf seinen Kragen drückte.
»Mein Geburtsort ist München. Nach dem Tod meiner Mutter bin ich …« Er schaute vom einen zum anderen. »Sagen Sie … das ist ja alles schön und gut, aber wann könnte ich Flint sprechen? Ist er nur zur Kontrolle im Krankenhaus oder stationär? Ist es etwas Ernstes? Ich bin schließlich nicht die lange Strecke hierhergefahren, um dann irgendwelche Spielchen zu spielen.«
Der Belgier beugte sich vor und drückte zum Abschied kurz seinen Arm. Verschwand dann in Richtung des Empfangs. Ein stummer Tadel.
Der Deutsche blieb weiter bei ihm. Sah ihn eindringlich an. »Hier kommen öfter Leute her, die jemanden suchen«, sagte er langsam. »Aber manche von uns wollen gar nicht gefunden werden. Sie wollen keinen Kontakt zu ihrem alten Leben. Genau deshalb sind Sie hier. Wo logieren Sie?«
Maier nannte den Namen seines Hotels in Aix-en-Provence.
Der Deutsche schüttelte den Kopf und fischte ein Notizbuch aus der Tasche. Mit einem abgekauten Bleistift fing er an etwas aufzuschreiben. »Fahren Sie dorthin. Dort gibt es
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