Verschleppt
ersten Mal in meinem Leben.«
»Du willst deinen Frust abreagieren.«
Sie hob die Hände. »Nenn es, wie du willst.«
Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee. »Na dann. Also. Was hab ich jetzt mit dieser Geschichte zu tun? Kommen Sie zum Punkt, Frau Kriminalbeamtin. Ich hab einen schweren Tag hinter mir und würde gern was essen und dann ins Bett gehen.«
»Ich bin noch nicht fertig.« Ihre Augen sprühten Funken. »Ich habe dich anderthalb Jahre lang observiert. An Tatorten, deren Spuren deine Handschrift trugen, war immer auch eine stattliche Summe Geld verschwunden. Viel Geld. Brauchtest du das? Nein, du hattest genug. Fast dreizehn Millionen Euro bei der Rabobank, verteilt über drei verschiedene Konten. Dreihunderttausend bei der ABN AMRO. Eine halbe Million bei Van Lanschot.«
Maier verzog keine Miene. Rührte sich nicht. Lediglich seine Augen blitzten suchend hin und her, als würde er rasend schnell nachdenken.
»Ich weiß noch viel mehr. Ich weiß, wie viel du an Hypothek bezahlst in Zeist und welche Festkosten du im Monat hast. Ansonsten hast du so gut wie keine Belastungen, du gibst quasi nichts aus. Und trotzdem beraubst du Kriminelle und lässt ihre Leichen am Tatort zurück. Ein paar von diesen Schuften habe ich selbst noch verhört, bevor du sie mit ein paar Kugeln durchlöchert oder ihnen den Hals umgedreht hast.« Ihre Augen strahlten puren Fanatismus aus. »Weißt du, wenn man jemanden so lang beobachtet, ist es irgendwann fast so, als würde man ihn persönlich kennen, als wäre er das eigene Fleisch und Blut.« Sie trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Konnte sich nicht mehr beherrschen, es ging nicht mehr. Die Worte strömten wie von selbst aus ihrem Mund. »Du, Maier, du bist genau so, wie ich selbst gern wäre. Keine Sorge, hier sitzt ein Fan. Ich werde dich nicht bei meinen Kollegen anzeigen, niemals. Du warst von Anfang an mein Geheimnis, und das wirst du bleiben. Denn du bist genau wie ich. Du hasst diese Kerle genau wie ich, und du räumst weit effektiver mit ihnen auf. Du wirst mir helfen, dem Treiben von Maxim Kalojew und seinen Genossen ein Ende zu bereiten. Ein definitives Ende.«
Maier gab kein Wort mehr von sich.
Draußen fuhr ein Auto vorbei. Der Motorlärm hallte zwischen den Felsen und der gläsernen Schiebewand nach. Das Glas zitterte in seinen Metallschienen.
Nach langem Schweigen sagte er: »Du bist gestört.«
»Das sagt der Richtige.«
»Und wenn du nicht gestört bist«, fuhr er fort, wobei seine Stimme einen bedrohlichen Unterton bekam, der sie alarmierte, »dann spielst du ein äußerst gefährliches Spiel. Du bist alleine hier, sagst du. Nicht im Dienst. Richtig?«
Sie nickte zögerlich. In ihrer Jackentasche befand sich eine Dose Pfefferspray, die sie in Marseille in einem Laden für Jagdartikel gekauft hatte. Langsam tastete sie sich mit der Hand dorthin vor, Stück für Stück und so unauffällig wie möglich, während sie Maier regungslos anblickte.
»Mal angenommen, ich hätte all die Dinge, die du mir da andichtest, tatsächlich getan«, sagte er, indem er aufstand und auf die Schiebetür zuging. »Dann wäre ich doch wohl jemand, dem es leicht fällt, Leute zu eliminieren. Der gern Geschichten zu Ende bringt. Ich arbeite allein, hast du gesagt. Hast du schon mal darüber nachgedacht, was das wohl für Leute sind, die sich entschließen, alleine zu arbeiten? Es ist ja wahrscheinlich gar nicht so leicht, mit nur einem Paar Augen, Armen und Beinen ein Gebäude zu betreten, in dem man von vier bis fünf schweren Jungs mit ihren Schusswaffen erwartet wird …« Maier drückte auf einen Knopf, woraufhin sich der Rollladen mit einem leisen Rasseln automatisch zu schließen anfing. »Ich würde meinen, dass Leute, die allein operieren, vermutlich extrem großen Wert auf ihre Privatsphäre legen. Glaubst du nicht?«
Ihre Stimme bebte leicht, sie konnte es nicht unterdrücken. »Mir wär lieber, du lässt den Rollladen offen.«
Er hielt den Knopf weiter gedrückt. Rasselnd glitten die Stahlglieder ineinander. »Na, was glaubst du?«
Sie reagierte nicht mehr. Sah, wie seine Blicke zwischen ihrem Gesicht und ihrer Hand hin und her flitzten.
Er hatte sie durchschaut.
»Niemand weiß etwas über mich, sagst du, mein sogenanntes Geheimnis ist bei dir sicher.« Er trat hinter sie und legte die Hände auf die Rückenlehne ihres Stuhls. »Aber stimmt das auch?«
Joyce blieb sitzen. Sie musste versuchen, Ruhe zu bewahren, sich im Griff zu behalten. Panik
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