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Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verhoef & Escober
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»Maastricht, Heerlen, Geleen, Venlo, Eindhoven, Breda …«
    Olga trocknete ihr den Rücken ab und ließ sie wieder zurück auf die Matratze sinken. »Lass mal gut sein. Ich weiß es wirklich nicht. Wir kommen hier doch nicht raus, was soll’s.« Sie strich ihr dickes rotes Haar – vermutlich war es gefärbt –hinters Ohr, stand auf, hob den Eimer hoch und ging damit zur Tür. »Ich hole eine Decke, in Ordnung?«
    Als sie den Raum verlassen hatte, drehte Susan sich zur Tür um, die einen Spaltbreit offen stand. Draußen hörte sie Leute Russisch reden. Wahrscheinlich sagte Ilja irgendetwas zu Olga.
    Ilja und Olga, dachte sie. Maxim und Wadim. Robby. Namen, die sie bis vor Kurzem noch nie gehört hatte und die jetzt das Allerwichtigste in ihrem Leben waren.
    Olga kam mit einer dicken, violettfarbenen Decke zurück. »Kannst du stehen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Probier’s mal.«
    Susans Fußgelenke waren ans Heizungsrohr gebunden. Hilflos sah sie Olga an. »Wie denn?«
    Olga schüttelte den Kopf. »Ich darf dich nicht losmachen, tut mir leid. Versuch es doch trotzdem.«
    Susan stemmte die Hände neben sich auf die Matratze und drückte sich so weit hoch, dass sie sitzen konnte. Es war zum Lachen, wie viel Mühe es sie kostete. Dann drehte sie sich um, sodass die Knie nach unten kamen, und suchte Halt an der Wand, um sich aufzurichten. Robby und Ilja hatten sie immer hochgehoben oder gestützt. Es war das erste Mal seit Langem, dass sie buchstäblich auf eigenen Beinen stehen musste. Es ging. Zittrig und unbeholfen, aber es ging.
    Olga breitete die zusammengelegte Decke über die Matratze. » Spassibo. Jetzt kannst du dich wieder hinlegen.«
    Susan ließ sich zu Boden sinken. Die Heizung war ziemlich weit aufgedreht, aber unter ihrer nackten, feuchten Haut fühlte sich die Decke trotzdem kalt an, sodass sie noch stärker zitterte.
    Olga begann sie anzukleiden. Ein elastisches schwarzes Pailletten-T-Shirt, so kurz, dass ihr Bauch frei blieb, und eine grobmaschige, himmelblaue Strickjacke, die ganz schlabberig war und ihr wiederum bis über die Hüften reichte. Den Reißverschluss zog Olga bis über Susans Brüste zu. »Das ist doch schön warm«, sagte sie.
    »Bist du schon lange hier?«
    »Zwei Monate. Davor habe ich in Belgien gearbeitet und in Italien. Und davor in Antalya, in der Türkei. Wir bleiben nie lange am selben Ort. Aber hier habe ich auch angefangen. Vor langer Zeit.« Sie brachte einen milchweißen Plastikstreifen zum Vorschein, einen halben Zentimeter breit. »Ich muss deine Handgelenke wieder festmachen.«
    »Das geht nicht.« Mit erhobenen Händen zeigte Susan ihre Gelenke vor. »Sieh doch.«
    Olga hielt ihre Hände fest und sah sie eindringlich an. »Ich weiß. Aber es muss sein. Wenn ich es nicht tue, werde ich bestraft. Ich binde sie vorne zusammen, in Ordnung? Dann kannst du dich auf den Rücken legen. Und für das Gleichgewicht beim Gehen ist es auch besser.«
    Susan schlug die Augen nieder. Verbiss sich den Schmerz, als Olga ihre Handgelenke aneinanderdrückte und den Kabelbinder zuzog.
    Danach schnitt sie die Streifen an Susans Knöcheln durch und konnte ihr nun die bis zu den Waden heruntergekrempelte, nasse Jeans abstreifen.
    »Ist denn noch nie die Polizei hier gewesen?«, fragte Susan.
    »Die Polizei? Die tut doch nichts.« Sie zog Susan eine dicke Stretchhose an, eine Art Jogginghose.
    Susan hob das Becken, damit Olga ihr den Gummi über die Hüften ziehen konnte, auch an der breitesten Stelle. »Wieso das denn? Wer hat dir das weisgemacht? Wenn die Polizei wüsste, was hier vorgeht, würde sie …«
    »… nichts tun, wirklich nicht«, unterbrach Olga sie flüsternd. »In Italien bin ich einmal abgehauen, und die Polizei hat mich zu dem Arschloch sogar zurückgebracht. Er hat mich grün und blau geprügelt, mich getreten und mir den Arm gebrochen. Sechs Wochen lang konnte ich nicht arbeiten.« Sie sah Susan eindringlich an. »Und wenn eine ganze Armee von Polizisten vor mir stünde, ich würde schwören, dass ich diese Arbeit freiwillig mache. Ich kann nicht anders. Maxim würde mich umbringen. Oder jemanden dafür bezahlen. Er findet einen überall.«
    »Aber wenn …«
    Olga legte Susan einen Finger auf den Mund. Sie biss sich kurz auf die Unterlippe, als zweifelte sie, ob sie Susan wirklich in ihr Geheimnis einweihen wollte. Ganz leise sagte sie dann: »Wir sparen hier alle Geld. Wir haben Geheimverstecke dafür. Unter dem Fußboden, in unseren Matratzen, hinter den

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