Verschleppt
war jetzt so gut wie frei. Trotzdem konnte er nicht einfach durchstarten. Die Fahrbahn war zu nass und der Wind tückisch.
»Du hast alles geregelt, meintest du?«
Sie nickte.
»Hast du an Waffen gedacht? Denn bei allem Respekt, mit einer Dose Pfefferspray …«
»Hab ich. Ist geklärt. Das Spray will ich übrigens wiederhaben.«
»Später. Was hast du sonst noch zu bieten?«
»Genug. Das wirst du morgen früh schon sehen.«
Er runzelte die Stirn.
»Sagen wir mal, was lohnsteuerfreie Zuwendungen angeht, ist die Polizei ein guter Arbeitgeber.«
»Hast du einen Grundriss?«
»Ja. Alles. Ich bin kein Grünschnabel.«
»Schon über einen Zeitpunkt nachgedacht?«
»So um die Essenszeit herum würde es sich anbieten. Gegen sechs.«
»Warum?«
»Dann ist es dunkel, und es sind keine Kunden da.«
»Weißt du das mit Sicherheit?«
»Im Prinzip läuft der Laden rund um die Ohr. Kalojew hat sich da quasi häuslich eingerichtet, unterm Dach. Wir haben uns letztes Jahr einen guten Überblick über den Laden verschafft. Zwischen fünf und halb sieben ist da so gut wie nichts los.«
Maier sah auf die Uhr. Halb drei. Der Stau hatte sich aufgelöst, aber es war nach wie vor windig. Wenn er ohne weitere Behinderungen durchkam, konnte er gegen neun oder vielleicht zehn in Eindhoven sein. Aber was hatte das für einen Sinn?
Schon jetzt hatte sich eine schwere Trägheit in seinen Knochen und Muskeln eingenistet, und er wusste, dass dies bloß ein Vorgeschmack darauf war, wie er sich morgen Nachmittag fühlen würde, nach noch ein paar hundert Kilometern Fahrt durch dieses Scheißwetter. Wenn er tausend Kleinigkeiten bedacht, den Grundriss auswendig gelernt, die Waffen und das sonstige Material ausgesucht und getestet hätte. Natürlich, das Adrenalin würde ihn wachrütteln, aber Schlafmangel und Müdigkeit würden sich unwiderruflich rächen in Form einer weniger sicheren Schießhand und einem verminderten Reaktionsvermögen.
Das würde zu Unfällen führen. Und es stand schon jetzt mehr auf dem Spiel als bloß sein eigenes Leben.
Sie täten besser daran, vorher ein bisschen zu schlafen, wenigstens ein paar Stunden. Sie konnten das entweder später tun, wenn sie wieder in den Niederlanden waren, oder jetzt, da sein Körper es einforderte und das Wetter sowieso nicht mitspielte.
»Hör mal«, sagte er. »Bei Dijon nehmen wir eine Ausfahrt und suchen uns ein Hotel. Ein B&B oder ein Formule 1 , irgendwo werden schon noch ein paar Schlafkojen frei sein.«
49
Wadim hatte sein Auto in der Nähe des Bahnhofs geparkt und war unterwegs zu dem Bordell, wobei er einen anderen Weg einschlug als letztes Mal. Das hatte er bei der Armee gelernt und sich seither zur Gewohnheit gemacht: nie zweimal dieselbe Strecke zurücklegen. Vorhersagbarkeit kostete einen sonst irgendwann das Leben. Auch wenn es keinen Grund gab zu glauben, jemand könnte es auf ihn abgesehen haben, hielt er diese Sicherheitsregel ein.
Maier hatte es nicht eilig. Allmählich dauerte es wirklich zu lange. Noch immer hatte Wadim kein Lebenszeichen von ihm. Dass seine Zielperson offenbar gar nichts mitbekam, ärgerte ihn. Vielleicht machte er gerade Urlaub in der Karibik und ließ sich dort von einer Schar einheimischer Schönheiten den Schwanz lutschen, während seine Freundin auf ihrer Stinkematratze langsam verrottete.
So was kam ironischerweise tatsächlich vor.
Es wurde höchste Zeit, dass Wadim den nächsten Schritt unternahm. Er musste ein bisschen Öl ins Feuer gießen, ein bisschen Tamtam veranstalten. Etwas unternehmen, was in die Nachrichten kam, am besten international. Das würde die Chance verbessern, dass Maier davon erfuhr.
Unruhe zu stiften war weniger schwierig, als man meinte. Im Grunde das reinste Kinderspiel. Es kam nur darauf an, den Leuten einen Schrecken einzujagen. Viel Blut und Verstümmelungen waren immer ein gutes Mittel, erst recht im Zusammenspiel mit einer gewissen Zahl von Zuschauern. Dann bekamen die Behörden die Nachrichten nämlich nicht mehr in den Griff.
Vergangene Nacht war er kurz davor gewesen, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Sie waren wieder in Susans Wohnung gewesen, der lange Typ mit den furchtbaren gelben Haaren und die Tussi, die äußerlich überhaupt nicht zu ihm passte. Er hatte die beiden in Ruhe gelassen. Aber wenn er sie das nächste Mal antraf, würde er diese Turteltäubchen wohl aufschlitzen müssen und dabei so kreativ wie möglich vorgehen, um einen möglichst starken Eindruck zu
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