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Verschlossen und verriegelt

Verschlossen und verriegelt

Titel: Verschlossen und verriegelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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erst eine Woche später bei Einar Rönn im Dezernat für Gewaltdelikte gelandet. Und erst dort hatte sie offenbar berechtigte Aufmerksamkeit geweckt.
    Martin Beck zog das Telefon näher heran, um sein erstes Dienstgespräch seit sehr langer Zeit zu führen. Er hob den Hörer ab, legte die rechte Hand auf die Wählscheibe und blieb in dieser Haltung sitzen.
    Er hatte die Nummer der Gerichtsmedizin vergessen und musste sie nachschlagen.
    Die Obduzentin wirkte überrascht.
    »Ja, natürlich«, sagte sie. »Das Gutachten wurde vor zwei Wochen abgeschickt.«
    »Ich weiß.«
    »Ist etwas unklar?«
    »Nur ein paar Dinge, die ich nicht richtig verstehe.«
    »Die Sie nicht verstehen? Wieso das?« War da nicht ein verletzter Tonfall in ihrer Stimme? »Laut Protokoll soll die betreffende Person Selbstmord begangen haben.«
    »Ja.«
    »Auf welche Art?«
    »Geht das aus dem Bericht nicht hervor? Habe ich mich wirklich so unklar ausgedrückt?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Aber was verstehen Sie dann nicht?«
    »Ziemlich viel, um ehrlich zu sein. Aber das liegt natürlich an meiner eigenen Unwissenheit.«
    »Sie meinen die Terminologie?«
    »Unter anderem.«
    »Man muss immer mit gewissen Schwierigkeiten dieser Art rechnen, wenn man über keinerlei medizinische Kenntnisse verfügt«, sagte sie tröstend.
    Ihre Stimme war hell und klar. Sie war sicher noch ziemlich Jung-Martin Beck schwieg einen Moment. An dieser Stelle hätte er sagen sollen:
    Meine liebe junge Dame, dieses Gutachten ist nicht für Pathologen, sondern für ganz andere Menschen bestimmt. Es ist von der Schutzpolizei in Auftrag gegeben worden und sollte folglich so formuliert werden, dass beispielsweise ein Polizeiassistent es verstehen kann.
    Aber er sagte es nicht. Warum nicht?
    Die Ärztin unterbrach seinen Gedankengang mit den Worten:
    »Hallo, sind Sie noch da?«
    »Ja. Ich bin noch da.«
    »Möchten Sie etwas Bestimmtes fragen?«
    »Ja. Zuerst einmal würde ich gerne wissen, worauf sich Ihre Selbstmordhypothese gründet.«
    Als sie antwortete, hatte sich ihre Stimme verändert und nun einen leicht verwunderten Unterton.
    »Bester Herr Kommissar, wir haben diese Leiche von der Polizei bekommen. Vor der Obduktion habe ich selbst mit dem Polizeibeamten telefoniert, der, wie ich wohl annehmen darf, für die Ermittlungen verantwortlich zeichnete. Er meinte, die Sache sei reine Routine und er wolle nur eine Frage beantwortet haben.«
    »Welche?«
    »Ob die betreffende Person Selbstmord begangen hat.« Martin Beck rieb sich ärgerlich mit den Fingerknöcheln über das Brustbein. Manchmal tat die Stelle noch weh, an der ihn die Kugel getroffen hatte. Man hatte ihm erklärt, dies sei psychosomatisch und werde vorübergehen, sobald sich sein Unterbewusstsein von der Vergangenheit gelöst habe.
    Jetzt war offensichtlich das Gegenteil der Fall. Was ihn ärgerte, war in höchstem Maße Gegenwart. Und sein Unterbewusstsein konnte wohl kaum an diesem Fall interessiert sein. Hier war ein grundlegender Fehler gemacht worden. Die Obduktion hätte natürlich absolut neutral vorgenommen werden müssen. Der Gerichtsmedizinerin vorgefasste Alternativen zu nennen war fast schon ein Dienstvergehen, vor allem wenn die Pathologin, wie in diesem Fall, jung und unerfahren war.
    »Wissen Sie, wie dieser Polizeibeamte hieß?«
    »Kriminalassistent Aldor Gustavsson. Ich hatte den Eindruck, dass er mit der Angelegenheit befasst war. Er wirkte erfahren und schien sich seiner Sache sicher zu sein.« Martin Beck wusste nichts über Kriminalassistent Aldor Gustavsson und seine eventuellen Qualifikationen. Er sagte: »Die Polizei hat Ihnen also gewisse Anweisungen gegeben?«
    »So könnte man es natürlich ausdrücken. Jedenfalls machte der Polizist deutlich, dass ein Verdacht auf Suizid bestand.«
    »Aha.«
    »Suizid bedeutet, wie Sie vielleicht wissen, Selbstmord.« Martin Beck gab darauf keine Antwort. Stattdessen sagte er: »War die Obduktion schwierig?«
    »Im Grunde nicht. Wenn man davon absieht, dass die organischen Veränderungen sehr umfassend waren. Dadurch bekommt die Arbeit ja immer einen etwas anderen Charakter.«
    Er überlegte kurz, wie viele Obduktionen sie eigenständig durchgeführt haben konnte, verzichtete jedoch darauf, sie danach zu fragen.
    »Hat sie lange gedauert?«
    »Überhaupt nicht. Da die Frage Suizid oder akuter Krankheitszustand lautete, begann ich damit, den Thorax zu öffnen.«
    »Warum?«
    »Der Verstorbene war ja ein älterer Mann. Bei einem schnell

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