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Verschlungene Wege: Roman (German Edition)

Verschlungene Wege: Roman (German Edition)

Titel: Verschlungene Wege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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noch meterweise Schnee liegt, während hier unten überall Matsch und braunes Gras zu sehen ist.
    Die Leute sind seltsam. Glauben die ernsthaft, ich merke nicht, wie sie über mich reden? Aber vielleicht finden sie das ja normal, vor allem hier, an so einem kleinen Ort. Wenn ich am Grill oder hinterm Herd stehe, wird mir ganz heiß von ihren neugierigen Blicken.
    Die sind alle unglaublich neugierig, trauen sich aber nicht, mich persönlich anzusprechen. Das wäre wahrscheinlich unhöflich, also drucksen sie herum.
    Morgen habe ich frei. Einen ganzen Tag lang. An meinem letzten freien Tag war ich dermaßen beschäftigt, aufzuräumen und alles einzurichten, dass er im Nu verflogen ist. Aber als ich diesmal auf meinen Schichtplan geschaut habe, bin ich richtig erschrocken. Wie soll ich bloß einen Tag und eine ganze Nacht rumbringen, ohne mich mit Arbeit abzulenken?
    Doch dann hab ich beschlossen, den Canyon hochzuwandern, wie ich es mir ohnehin schon vorgenommen hatte. Ich werd eine der einfachen Routen nehmen und so weit gehen, wie ich komme. Ich möchte mir den Fluss ansehen. Vielleicht klappern die Felsen ja immer noch, so wie Lo mir das erzählt hat. Ich will das Wildwasser sehen, die Moränen, die Bergwiesen und das Sumpfland. Vielleicht raftet ja jemand auf dem Fluss. Ich werd mir ein Lunchpaket mitnehmen und mir Zeit lassen.
    Es ist ganz schön weit von der Back Bay bis zum Snake River.
    Die Küche war hell erleuchtet, und Reece summte zu einem Song von Sheryl Crowe, während sie den Ofen reinigte. Die Küche hatte jetzt offiziell geschlossen.
    Es war ihr letzter Abend im Maneo’s – und für sie das Ende einer Ära -, weshalb sie ihren Arbeitsplatz auf Hochglanz poliert hinterlassen wollte.
    Sie würde eine ganze Woche frei haben, und dann – dann – würde sie ihren Traumjob als Chefköchin im Oasis antreten. Chefköchin, dachte sie, und vollführte einen kleinen Freudentanz, Chefköchin eines der heißesten Trend-Restaurants von Boston. Sie würde fünfzehn Leute unter sich haben, ihre eigenen Gerichte kreieren und sich mit den Besten der Branche messen können.
    Die Arbeitszeiten würden mörderisch sein, und der Erfolgsdruck wäre enorm.
    Sie konnte es kaum erwarten.
    Sie hatte Marco selbst eingearbeitet, und zusammen mit Tony Maneo würden sie das prima hinkriegen. Sie wusste, dass sich Tony und seine Frau Lisa für sie freuten. Und da ihre Beiköchin Donna mal wieder den Mund nicht hatte halten können, hatte sie sogar den Verdacht, dass sie gerade eine Party für sie organisierten, um ihre neue Position zu feiern und sich von ihr zu verabschieden.
    Bestimmt hatte Tony gerade die letzten Gäste zur Tür begleitet – bis auf eine Hand voll Stammgäste, die man zu ihrer Abschiedsparty eingeladen hatte.
    Sie würde das Lokal vermissen, die Leute, die dort arbeiteten, aber für sie war es Zeit, sich weiterzuentwickeln. Sie hatte hart dafür gearbeitet, gepaukt und Pläne geschmiedet, und jetzt würde ihr Traum endlich wahr werden.
    Sie trat einen Schritt zurück, um den Ofen zu begutachten, nickte zufrieden und brachte die Putzmittel in die kleine Abstellkammer.
    Sie hörte das Geräusch einer zersplitternden Scheibe im Restaurant und riss die Augen auf. Aber die Schreie, die dann folgten, ließen sie herumfahren. Als sie Schüsse hörte, erstarrte sie. Sie wollte gerade ihr Handy aus der Tasche ziehen, als die Tür aufschwang. Sie nahm eine verschwommene Bewegung wahr, Panik ergriff sie. Sie sah die Waffe, sah nur noch die Waffe. So schwarz, so groß.
    Dann flog sie nach hinten in die Abstellkammer, während sich ein heißer, unbeschreiblicher Schmerz in ihrer Brust ausbreitete.
     
     
    Der Schrei, der Reece damals in der Kehle stecken geblieben war, entwand sich ihrer Brust. Sie hatte sich auf dem Bett zusammengekrümmt und presste eine Hand auf ihre Brust. Sie konnte ihn spüren, den Schmerz, dort, wo die Kugel sie getroffen hatte. Das Brennen, den Schock. Aber als sie ihre Hand betrachtete, war da nirgendwo Blut, und als sie sich über die Haut strich, war da nur die Narbe.
    »Alles ist in Ordnung. Ich bin unversehrt. Es ist nur ein böser, Traum, das ist alles.« Trotzdem zitterte sie am ganzen Körper, während sie nach ihrer Taschenlampe griff, aufstand und Tür und Fenster überprüfte.
    Niemand war da, keine Menschenseele, weder auf der Straße noch am See. Die Blockhütten und Häuser waren dunkel. Niemand kam, um das zu vollenden, was zwei Jahre zuvor unvollendet geblieben war. Es war ihnen

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