Verschollen
leibhaftigen Tod, der über Nasgareth kommt?«
Martin schnaubte. »Der leibhaftige Tod? Ich bitte euch, das ist doch Aberglaube.«
Die Händler blickten einander düster an. »Vor zwei oder drei Mondjagden hätten wir euch noch Recht gegeben«, antwortete ein anderer, mit breiter Nase und schulterlangem, schwarzem Haar. »Aber die Geschichten häufen sich. Es begann in Olnast, einem Dorf nahe der Westküste. Eines Nachts wurde dort Feuer gelegt, in vielen Häusern gleichzeitig, ein furchtbares Inferno muss das gewesen sein. Kaum einer der Bewohner überlebte, auch weil sie sich nicht aus ihren Häusern wagten, denn es sollen Oger gewesen sein, die das Feuer legten, und sie wurden kommandiert von einem lebenden Leichnam, vom Tod höchstpersönlich, der die Seelen der Dorfbewohner zum Totengott Dulag holte. So berichteten es die Überlebenden.
Wenige Tage später geschah dasselbe in einem zweiten Dorf, ein wenig landeinwärts, und es heißt, Darius selbst, der Heerführer der Paladine, zog aus, um nach dem Rechten zu sehen. Was er gesehen oder herausgefunden hat, weiß ich nicht, aber er rief die anderen Paladine herbei und zum ersten Mal ritten sie alle gemeinsam in einer großen Armee in den Kampf.«
»Sie kamen durch mein Dorf«, sprach der dritte Händler, ein Jüngling mit lockigem blonden Haar, weiter. »Sie saßen auf großen Nobos, blickten grimmig und waren bis an die Zähne bewaffnet. Was glaubt ihr, was müssen Halbgötter wie sie fürchten, wenn nicht den Tod selbst? Was sonst könnte sie dazu bringen, so zahlreich auf Nasgareth zu erscheinen und alle gemeinsam zu marschieren? So etwas wie diesen Ritt der Paladine hat es nie zuvor gegeben.«
»Und vor allem«, ergänzte der mit der Narbe, »sind sie nicht mehr zurückgekehrt. Niemand weiß, was passiert ist, einige wenige weitere Paladine ziehen umher und versuchen herauszufinden, was mit ihren Brüdern und Schwestern geschehen ist. Plötzlich sind überall Wolfsmenschen, die vorher lange die Siedlungen mieden und in den Wäldern blieben. Ihr habt es ja selbst gesehen.« Er deutete in Richtung des Kadavers. »Der Fürst soll in heller Aufregung sein und bald eine Mobilmachung befehlen, deshalb reiten wir nach Nephara. Was ist mit euch? So wie ihr kämpft, könnte die Armee euch gut brauchen. Man muss die Paladine finden und die Ordnung wiederherstellen.«
Tristan hörte nicht weiter zu. Ihm war schwindlig vor Sorge. Der leibhaftige Tod, überall Wolfsmenschen und Oger, was auch immer das sein mochte. Und die Paladine, die offenbar als Halbgötter angesehen wurden, waren in den Kampf gezogen und verschwunden. Voll düsterer Gedanken starrte er zum Himmel hinauf, der mittlerweile schwarz war und von vielen Sternen und den drei Monden erhellt wurde. Doch dafür hatte Tristan keinen Blick, er wünschte sich nur ein Zeichen, dass sein Vater noch lebte.
Die Händler erlaubten Tristan, in einem ihrer Wagen zu schlafen, und gaben ihm eine Decke, sodass er seine nassen Kleider über Nacht ausziehen und trocknen konnte. Martin hielt die längste Zeit Wache, was man ihm am kommenden Morgen auch anmerkte. Seine Augen waren eingesunken und er war mürrisch. Sie sprachen kaum ein Wort, während sie ihr karges Frühstück zu sich nahmen, und dann holten sie ihre Reittiere, verabschiedeten sich und ritten los, während die Händler noch ihre Nobos vor die Wagen spannten.
Der Tag war schön, die Sonne schien hell vom Himmel und wärmte sie, kaum eine Wolke war zu sehen. Die Straße wand sich durch ein Tal entlang eines schmalen Flusses und am späten Vormittag erklomm sie eine Anhöhe. Der Vulkan, der den ganzen Tag über größer und größer geworden war, ragte von hier aus gesehen nun riesig vor ihnen auf und an seiner Flanke, von der Anhöhe aus gesehen vielleicht eine Meile entfernt, lag Nephara in einem grünen, aber fast baumlosen Tal mit vielen Äckern und Wiesen.
Nach den kleinen Dörfern und Siedlungen, an denen sie auf ihrer Reise vorbeigekommen waren, bot die Stadt einen beeindruckenden Anblick. Hunderte Häuser schmiegten sich an den Hang des Vulkans, die meisten aus schwarzem Vulkangestein. Auch die massive Stadtmauer, die einen Großteil Nepharas halbkreisförmig umschloss, war aus schwarzem Stein und verlieh der Stadt eine drohende Ausstrahlung. Das Stadttor wurde von hohen Türmen flankiert, auf deren Dächern hinter Brüstungen Dutzende Soldaten standen, wie sie im Näherkommen bemerkten.
Martin runzelte die Stirn. »So stark besetzt waren
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