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Verschollen

Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Benne
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hielten an dem darin eingelassenen Holztor an. Martin öffnete es und sie traten ein.
    Tristan war überrascht. Er hatte etwas Tempelähnliches erwartet, doch es erinnerte ihn eher an einen Gutshof mit Stallungen, einem Haupthaus und einigen Nebengebäuden. Auf der Wiese, die den Innenhof bildete, tollten Kinder umher, zwei Frauen saßen am Eingang eines der Nebengebäude und blickten zu ihnen herüber. Eine erhob sich und kam auf Martin und Tristan zu. Sie kam ihm seltsam bekannt vor, hatte dunkle Haut und lockiges schwarzes Haar. Sie trug ein weißes Gewand, das ihre Arme frei ließ, und Tristan sah Zaubermale darauf, allerdings viel weniger als auf seinen eigenen.
    »Willkommen, ihr Herren. Ich bin Keldra, Enkelin der Shamila«, stellte sie sich vor, legte dabei die flache Hand auf die Brust, etwa in Höhe des Herzens und neigte den Kopf zur Begrüßung.
    Tristan stockte der Atem. Shamila war doch die Frau aus seiner Vision gewesen. Ob Keldra wusste, dass ihre – Großmutter …? Aber wie war das möglich?
    »Seid gegrüßt, Keldra«, erwiderte Martin, und vollführte eine ähnliche Geste wie die Frau zuvor. »Wir wurden uns noch nicht vorgestellt. Ich bin Martin aus der Welt der Paladine.«
    Keldra nickte. »Ich habe von euch gehört.«
    »Und das ist Tristan, Sohn des Darius.«
    »Oh«, entfuhr es Keldra. Hastig verneigte sie sich tief vor Tristan. »Vergebt mir, edler Paladin, ich wusste nicht, dass …«
    »Schon gut«, murmelte Tristan verwirrt und peinlich berührt. Er war froh, dass sie sich sofort wieder aufrichtete, ohne Aufforderung die Zügel der Nobos übernahm und die Tiere zu einem Stall führte. Sie kehrte zügig zurück und brachte sie zum Haupthaus und dort in einen großen Saal, der von einer langen Tafel dominiert wurde. Sechsunddreißig hochlehnige, reich verzierte Stühle aus dunklem Holz zählte Tristan. Ob das die Gesamtzahl der Paladine war? Am gegenüberliegenden Ende der Tafel stand ein breiter, thronartiger Sessel und Keldra bedeutete ihnen, sich auf die beiden Stühle links und rechts davon zu setzen. Dann ging sie durch einen anderen Ausgang hinaus.
    »Die Paladine haben hier Familie?«, fragte Tristan flüsternd.
    »Einige, ja«, nickte Martin. »Früher blieben sie oft über Jahrzehnte am Stück hier, da ergab sich das schon mal.«
    »Aber dann ist Keldra doch auch ein Paladin. Sie hat doch Zaubermale und ist mit Shamila verwandt.«
    »Ja, aber ihre Eltern wurden hier geboren. Sie hat deshalb nicht die übernatürlichen Kräfte eines Paladins und altert so wie alle anderen Menschen hier. Die Zaubermale nehmen außerdem von Generation zu Generation ab, wenn sie überhaupt weitergegeben werden.«
    »Aber wenn sie ganz normal altert, dann …«
    Martin nickte düster. »Ja, die Paladine überleben ihre Kinder, Enkel, ja sogar ihre Ur-Ur-Ur-Enkel. Von ihren Lebensgefährten ganz zu schweigen«, fügte er leise hinzu und verfiel in brütendes Schweigen. Tristan ahnte, dass auch Martin dieses Schicksal ereilt hatte.
    Schlurfende Schritte kündigten an, dass jemand kam. Tristan sah auf, doch es dauerte noch eine Weile, bis Meister Johann sich um die Ecke schleppte, hinter der Keldra zuvor verschwunden war. Sein Rücken war stark gekrümmt, er machte nur winzige Schritte und wirkte sehr gebrechlich. Seine Schädeldecke war völlig kahl, doch am Hinterkopf wuchs noch langes, schlohweißes Haar, das zu einem Zopf gebunden war. Sein Gesicht war runzlig und von tiefen Falten durchzogen, doch all das verblasste angesichts des wachen, scharfen Blickes seiner Augen, die Tristan fixierten.
    Martin erhob sich und Tristan tat es ihm gleich. Da Martin den alten Mann nicht grüßte und auch keine Anstalten machte, ihm zu helfen, blieb auch Tristan stumm stehen und wartete, bis sich Johann zu dem thronartigen Sessel geschleppt und sich müde darauf fallen gelassen hatte.
    Mit einem Wink bedeutete er den beiden sich zu setzen. Tristan hatte eine müde, brüchige Stimme erwartet, doch Meister Johann sprach mit volltönendem Bariton. »Willkommen. Ich freue mich dich zu sehen, Martin. Es ist lange her.« Martin lächelte dünn und nickte. Johann wandte sich Tristan zu. »Und du bist also Darius‘ Sohn. Er hat oft von dir gesprochen, hatte nicht selten ein schlechtes Gewissen. Jessica hat mir berichtet, was mit deiner Schwester geschehen ist, und es erfüllt mich mit Kummer.«
    »War Jessica hier?«, platzte Tristan heraus, begierig, endlich mehr zu erfahren.
    Johann nickte und brachte dabei Martin mit

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