Verschollen
etwas zu erschnüffeln, machte ihn immer noch jedes Mal nervös. Statt sich zu setzen, legte er sich auf den Rücken und versuchte sich zu entspannen. Dunkle Wolken waren aufgezogen und eine steife Brise blies sie über sie hinweg.
»Wir kommen gut voran«, meinte Martin, und setzte sich neben Tristan im Schneidersitz hin. »Aber wir müssen noch ein wenig weiter, bis wir einen Ort erreichen, wo wir übernachten können.« Er musterte die Wolken am Himmel. »Sieht nicht so aus, als könnten wir unter freiem Himmel schlafen. Komm, iss etwas und dann reiten wir weiter.«
Tristan war wenig begeistert, aber die Aussicht von einem Regenguss überrascht zu werden, war auch nicht eben verlockend und so ritten sie den restlichen Nachmittag weiter. Die Wolken verdunkelten den Himmel zusehends und die Nobos wurden langsamer und träger. Martin fluchte, doch es half nichts. Ehe sie eine Ortschaft erreichten, öffnete der Himmel seine Schleusen und sie waren binnen Sekunden bis auf die Haut durchnässt. Die Nobos blieben stehen und die beiden stiegen ab und führten sie ein Stück in den Wald hinein, wo das dichte Laubwerk ihnen etwas Schutz bot.
Der Regenguss war kurz und heftig, doch die Wolkendecke blieb dicht und die Sonne kam kaum noch hervor. Dementsprechend war mit den Nobos nicht viel anzufangen, sie standen träge herum und nagten lustlos an ein paar Ästen. Martin beschloss sie zu führen, um wenigstens noch ein kleines Stück des Weges zurückzulegen und einen geeigneten Rastplatz zu suchen.
So stapften sie die Straße entlang, die nun wie ausgestorben in die Dämmerung führte. Die anderen Reisenden hatten sich wohl alle einen Unterschlupf gesucht. Abgesehen vom stetigen Tropfen der nassen Blätter um sie herum war es beinahe gespenstisch still. Tristan war kalt, die nassen Kleider klebten unangenehm klamm an ihm, sodass er sich wünschte, einen Wärmezauber zu beherrschen. Mürrisch setzte er einen Fuß vor den anderen und dachte an sein bequemes Bett zuhause mit Spielkonsole und Fernseher. Er war so in Selbstmitleid versunken, dass er zuerst gar nicht merkte, dass der vor ihm laufende Martin plötzlich stehen blieb. »Was ist …«
»Shhhh.« Martin hielt eine Hand ans Ohr. »Hörst du das?«
Tristan lauschte angestrengt, hörte zunächst nichts, dann glaubte er laute Stimmen zu vernehmen und metallische Geräusche.
»Da kämpft jemand«, stellte Martin fest und eilte voran, seinen Nobo hinter sich her zerrend. Vor ihnen machte die Straße eine Biegung, sodass sie nicht ausmachen konnten, wer die Geräusche verursachte.
Tristan beeilte sich Schritt zu halten, und als sie um die Kurve kamen, sahen sie knapp zwanzig Meter entfernt einen der Rastplätze, auf dem zwei vierrädrige Planwagen standen. Sie verdeckten die Sicht auf den Platz selbst und so konnten sie immer noch nicht erkennen, was vor sich ging, aber die Kampfgeräusche kamen ohne Zweifel von dort.
Martin drückte Tristan die Zügel seines Nobos in die Hand und zog sein Schwert. »Du bleibst hier und passt auf die Nobos auf, ich sehe mir das mal an.«
Ehe Tristan aufbegehren konnte, eilte Martin schon auf die Kutschen zu. Dort angekommen, schlich er vorsichtig um einen Wagen herum, sprang dann vor und verschwand aus Tristans Blickfeld. Er hörte überraschte Rufe, neue Kampfgeräusche und ein lautes Brüllen und war so konzentriert dabei, aus den Geräuschen irgendetwas zu erkennen, dass er nicht bemerkte, wie die Nobos unruhig wurden und auf und ab tänzelten. Erst als einer heftig an seinen Zügeln und damit an Tristans Arm riss, sah der Junge sich um, was die Tiere so nervös machte. Er erstarrte, als er das seltsame Wesen erblickte, das sich vom Wald her angeschlichen hatte und ihn nun mit leuchtenden Augen fixierte.
Es stand aufrecht, war dicht beharrt mit schwarzem Fell und hatte einen Kopf wie ein Wolf, nur viel größer. Die Arme endeten in Klauen mit langen, gebogenen Krallen, die Füße waren große Tatzen. Die Kreatur sah aus wie eine bizarre Mischung aus Wolf und Mensch. Das Maul stand offen und lange Fangzähne ragten daraus hervor. In leicht geduckter Haltung und mit einem leisen Knurren schlich das Wesen näher.
Die Nobos tänzelten herum, zischten die Kreatur an und Tristan musste aufpassen, dass sie ihn mit den Zügeln nicht fesselten. Er tastete nach dem Dolch an seinem Gürtel und wich gleichzeitig zurück in Richtung des Rastplatzes.
Die Kreatur erkannte seine Absicht und schlug einen Bogen, um ihm den Weg abzuschneiden,
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