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Verschollen

Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Benne
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die Stiefel aus. Seine Zehen schmerzten, er hatte sich Blasen gelaufen und die Wunde, die der Wolfsmensch in seine Wade geschlagen hatte, brannte, erwies sich aber als nicht weiter schlimm. Tristan wusch seine Füße mit Wasser aus einer bereitstehenden Schale und legte sich dann aufs Bett. Zwar hatte er im Gegensatz zu Martin in der letzten Nacht geschlafen, aber der Wagen war hart und unbequem gewesen, die Reise anstrengend und so nickte er ein und wachte auch nicht auf, als Tiana ihm wie versprochen etwas zu essen hinstellte. So bemerkte er auch nicht den langen Blick, mit dem sie ihn bedachte, ehe sie wortlos wieder aus dem Zimmer schlüpfte.
     
    Tristan erwachte nach kurzem, traumlosem Schlaf wieder und machte sich gierig über das Essen her. Es waren verschiedene Früchte, die ihm zwar allesamt unbekannt waren, aber schmackhaft aussahen, und für Skepsis ließ ihm sein knurrender Magen ohnehin keine Zeit. Etwas unförmige, gelbe Früchte, die entfernt an Zitronen erinnerten, aber eine weiche Schale hatten, schmeckten ihm besonders gut.
    Unschlüssig saß er nach seinem Mahl eine Weile auf dem Bett, da aber die Sonne schien, beschloss er nach draußen auf den Hof zu gehen. Auf dem Flur lief er Tiana über den Weg, die gerade aus einem anderen Zimmer kam.
    »Haben euch die Früchte geschmeckt?«
    »Ich … ja, vor allem diese gelben, danke.«
    »Ah.« Ein spitzbübisches Grinsen umspielte ihre Lippen und ihre grünen Augen leuchteten. »Ihr mögt es eher säuerlich. Das waren Sulkas, sie wachsen an der Süd-Küste.« Gemeinsam gingen sie zum Treppenhaus. »Wohin möchtet ihr?«
    »Eigentlich nur auf den Hof, das schöne Wetter genießen. Kommst du mit und zeigst mir alles?«
    Tiana nickte und führte ihn hinunter und aus dem Haupthaus. Sie zeigte ihm die Wohnhäuser, den Stall und eine große Scheune, die jedoch als Unterrichtsraum und Waffenkammer genutzt wurde. »Die Waffen wurden schon lange nicht mehr gebraucht«, erklärte Tiana. »Aber unser Waffenmeister pflegt sie dennoch täglich, für den Fall der Fälle.«
    »Und ihr – Paladinenkinder – wohnt alle hier?«
    »Nein, normalerweise nur einige wenige. Und man nennt uns Paladjur. Das ist ein Wort aus der Vanamirisprache und bedeutet so etwas wie Nachkommen der Paladine. Wir werden hier unterrichtet in der Zauberei mit den Malen. Meine Freundin Vinjala und ich sind deshalb hier. Aber als alle Paladine sich hier versammelten, sind auch viele Familien gekommen, sie zu sehen. Viele Paladine waren ja sehr lange nicht mehr hier und manche Nachkommen kannten sie noch gar nicht. Und nun warten sie hier auf Nachricht.« Ihr bislang so fröhliches Gesicht verdüsterte sich schlagartig.
    Tristan war froh, jemanden zu treffen, dem es ähnlich ging, wie ihm selbst. »Ich weiß, was du meinst. Was glaubst du, was passiert ist?«
    »Ich habe keine Ahnung. Meister Johann erzählt uns nicht viel, aber ich glaube, selbst er weiß es nicht. Hat er euch denn nichts gesagt, ihr seid doch ein …?«
    »Paladin?« Tristan lachte bitter auf. »Nicht wirklich, oder? Ich bin nur der Sohn meines Vaters, bis vor ein paar Tagen dachte ich, er …« Er brach ab, als ihm klar wurde, dass Tiana wohl weder etwas von Bohrinseln noch von der Nordsee wusste. Statt dessen zog er die Ärmel seiner Tunika hoch und deutete auf die Zaubermale. »Ich weiß nicht einmal, wozu die meisten davon gut sind. Kannst du mir nicht ein paar Zauber zeigen?«
    Tiana grinste und sah sich verstohlen um. »Eigentlich darf ich das wohl nicht, aber für euch mache ich es gern. Doch nicht hier, sonst werde ich Ärger bekommen. Kommt mit.« Sie ging in Richtung Scheune.
    »Darf ich dich um etwas bitten?«, fragte Tristan zaghaft.
    Sie sah ihn überrascht an. »Aber natürlich, ihr seid ein Paladin und …«
    »Genau darum geht es«, unterbrach er sie. »Könntest du mich wohl normal mit du anreden? Ich fühle mich sonst irgendwie komisch.«
    Sie nickte. »Wenn ihr …«, begann sie und lachte. »Ich meine, wenn du willst. Aber nur, wenn niemand dabei ist«, sagte sie mit verschwörerisch gesenkter Stimme.
    Tiana führte ihn nicht in die Scheune, sondern auf deren Rückseite. Die lag dicht an der Mauer, die das Gelände umgab, und der schmale Zwischenraum war kaum einsehbar. Zwei alte Fässer lagen dort, auf die sich Tiana setzte, und Tristan ahnte, dass sie öfter herkam. Sie krempelte die Ärmel ihres Hemdes hoch. Es kamen deutlich weniger Male zum Vorschein als auf Tristans Armen. Ihm fiel auf, dass sie nur ein

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