Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verschollen

Verschollen

Titel: Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Benne
Vom Netzwerk:
Klasse machte sich manch einer über ihn als »Strich in der Landschaft« lustig. Doch die fünf Runden machten ihm trotz der frühen Morgenstunde nichts aus. Im Gegenteil, er hatte das Gefühl locker die doppelte oder dreifache Strecke laufen zu können.
    Nach dem Lauf dehnten alle noch ihre Muskeln, dann führten die Brüder sie ins Haupthaus, durch einen Eingang neben dem Treppenhaus, der in einen anderen großen Saal führte. Hier standen mehrere Tische mit einfachen Schemeln und an einem Ende des Raumes eine große Theke, wo heißer Brei, Brot, Obst und Milch – oder zumindest etwas, das so aussah – ausgegeben wurden.
    Einige Tische waren schon besetzt mit Männern und Frauen. Tristan war überrascht, wie viele Tische es gab. »Leben so viele Menschen hier?«, fragte er Tiana leise. »Und sind sie alle Paladjur?«
    »Viele kamen her, um die Paladine zu sehen, als diese sich hier versammelten. Und einige harren noch immer aus, um Neues zu erfahren. Sie leben aber zumeist nicht hier im Haus der Paladine, sondern unten in der Stadt und kommen nur zum Essen her. Viele sind auch schon wieder abgereist, weil sie ihrer Arbeit oder ihrem Hof nicht so lange fernbleiben können. Die, die im Moment hier sitzen, sind entweder Paladjur oder deren Gefährten.« Sie waren an der Theke angelangt. »Was nehmt ihr?«, fragte sie ihn.
    Tristan wollte schon wegen der Anrede aufbegehren, als ihm wieder einfiel, dass sie ihn nur duzen wollte, wenn keine anderen in der Nähe waren. Er wandte seine Aufmerksamkeit den Speisen zu. Ihm war nicht nach Experimenten und so entschied er sich für einen Becher Wasser, zwei Scheiben Brot mit einem Aufstrich, der wie Butter aussah, und zwei Sulkas, die gelben Früchte, die Tiana ihm ans Bett gebracht hatte.
    Sie setzten sich an einen freien Tisch, die übrigen Schüler wählten aber einen anderen, was Tristan bedauerte, er hätte sie gern näher kennengelernt. Selbst Vinjala setzte sich nicht zu ihnen.
    Tiana bemerkte seinen Seitenblick zu den anderen. »Nimm es nicht persönlich. Es ist nicht üblich, dass die Paladine mit uns speisen und sie sind etwas – nun – befangen in deiner Gegenwart.«
    Tristan lächelte. »Und du?«
    »Ich weiß doch jetzt, dass du nur Papas Sohn bist«, zitierte sie ihn und hatte dabei wieder dieses schelmische Grinsen auf den Lippen, das ihm so an ihr gefiel.
    Tristan wollte schon etwas erwidern, als sich Ilgar und Katmar zu ihnen setzten. Nachdem er sie draußen im Dämmerlicht nur undeutlich gesehen hatte, fiel Tristan nun auf, dass sie sich doch nicht so ähnlich waren. Sie waren beide wohl Anfang Zwanzig, hatten kurze blonde Haare und beide muskulöse Arme, die nur einige wenige Zaubermale aufwiesen. Gemeinsam hatten sie auch die – wie Tristan fand – kleiderschrankähnliche Statur, die ihn an Bodybuilder oder Schwimmer erinnerte und ihm seine eigene schmächtige Figur bewusst machte. Katmar, der Ältere, hatte ein auffälliges Grübchen auf der linken Wange und war glatt rasiert, sein Bruder hingegen ließ sich einen dünnen Schnurrbart stehen.
    »Meister Johann sagte uns, dass ihr noch keine Paladinenausbildung genossen habt?«, fragte Katmar. Tristan nickte. »Dann habt ihr also noch nie mit Schwert, Axt oder Pfeil und Bogen gekämpft?« Tristan verneinte.
    »Werdet ihr Jünglinge in der anderen Welt denn nicht zum Kampf erzogen?«, fragte Ilgar und ein spöttisches Lächeln umspielte seine Lippen.
    Darauf wusste Tristan nicht, was er erwidern sollte. Was durfte er überhaupt von der Erde erzählen? War sie ein Geheimnis, das auch vor den Paladjur gewahrt bleiben musste? Hilfesuchend blickte er Tiana an.
    »Du weißt doch, Ilgar«, sprang diese für ihn in die Bresche, »dass die Welt der Paladine eine friedliche ist, in der die Kinder vor allem Sprachen, Wissenschaften und Geschichte studieren.«
    Ilgar schnaubte verächtlich, zuckte aber zusammen, als sein Bruder ihm den Ellenbogen in die Seite stieß.
    »Verzeiht seine Respektlosigkeit«, entschuldigte sich Katmar. »Meister Johann war jedenfalls der Ansicht, dass es nicht schaden könne, wenn ihr bei uns zumindest ein paar Grundlagen erlernen würdet. Es herrschen unsichere Zeiten.«
    Tristan nickte. Nach der Begegnung mit dem Wolfsmenschen, wollte er beim nächsten Mal besser vorbereitet sein, wenn es dazu kam. »Gern.«
    »Dann treffen wir uns nach dem Mittagsmahl hier?«, bot Katmar an und Tristan stimmte zu.
     
    Kurz nach dem Frühstück – die Sonne war eben erst aufgegangen, selbst aber

Weitere Kostenlose Bücher