Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1
ich immer das Gefühl, dass mein Leben an mir vorbeizieht und ich was Wichtiges versäume. Ich brauche die Natur, meine Hunde … das hier.«
»So ähnlich haben wir auch mal gedacht«, erwiderte Mike. »Jeden Tag auf der Piste und Spaß haben, sogar im Sommer auf den Gletschern, und bei den nächsten Olympischen Spielen eine Goldmedaille gewinnen … was Schöneres gab’s für uns nicht. Aber wenn man älter wird, denkt man anders. Wir waren keine Eishockey- oder Football-Stars. Von dem Geld, das wir auf die Seite gelegt hatten, konnten wir höchstens zwei oder drei Jahre leben. Da kam der Laden gerade recht. Wir haben ihn von einem ehemaligen Champion gekauft, einem guten Freund. ›Die Karriere dauert nicht ewig‹, sagte der, ›wenn’s euch mit achtzig auch noch gut gehen soll, müsst ihr vorsorgen.‹«
»Damit hab ich keine Probleme, wenn mich die Ranger nehmen. Da gibt’s genügend Programme für die Altersvorsorge. Das ist der Vorteil, wenn man für die Regierung arbeitet. Und eine Medaille kann ich hier auch gewinnen. Jedes Jahr gibt es ein ganz besonderes Hundeschlittenrennen, die Denali Doubles … zwei Musher pro Schlitten und zwanzig Hunde. Da will ich unbedingt mal mitmachen, falls ich hier im Denali National Park bleiben kann.«
Nachdem Mike die Thermosflasche verstaut hatte, zogen sie weiter. Diesmal übernahm Julie die Spitze, folgte dem Lichtkegel ihrer Stirnlampe über die Hügel, die tatsächlich den Eindruck erweckten, als hätte man einen leichten Weg vor sich. Einige Felsen, die wie einsame Monumente aus dem Schnee ragten, hielten den Wind ab, und selbst die Temperaturen schienen hier nicht so eisig wie auf der anderen Seite des Flusses zu sein. Julie war froh, die Felswand mit den Höhlen hinter sich lassen zu können. Sie erschauderte immer noch, wenn sie an den Mann auf dem Snowmobil dachte. Hätten Josh und sie die Höhle nicht verlassen, wären sie jetzt wahrscheinlich schon beide tot, würde man ihre Skelette vielleicht auch erst in zwanzig Jahren finden. Ein Gedanke, der so quälend war, dass sie unwillkürlich ihre Schritte beschleunigte, um so schnell wie möglich zwischen den Hügeln untertauchen zu können.
Noch immer wirbelte der Schnee so dicht, dass sie ihre Schutzbrillen aufsetzen mussten. In ungefähr vier Stunden sollte es besser werden, hatte die Zentrale gesagt, aber wie sehr man den Berichten der Wetterstation glauben konnte, hatte die erste Voraussage wohl schon bewiesen. Je näher man dem Mount McKinley kam, desto unzuverlässiger wurden alle Prognosen. Der Berg hatte seinen eigenen Willen, und das Wetter an seinen Hängen änderte sich so, wie es den Geistern, die auf seinem Gipfel wohnen sollten, gerade einfiel. Wenn am Parkeingang die Sonne schien, konnte in den Ausläufern des Denali ein heftiger Schneesturm toben.
Die ersten Hügel waren so sanft und leicht zu überqueren, wie Carol es vorausgesagt hatte. Der Schnee war fest, die Steigungen meist nicht der Rede wert, und der Wind blies einem nur an manchen Stellen ins Gesicht. Lediglich das dichte Schneetreiben störte und hinderte sie daran, entspannt über die Hügel zu wandern. In dieser Gegend hätte ein Hundeschlitten gute Dienste geleistet. Ihre Huskys liebten dieses Wetter und wären mit einem solchen Elan und einer solchen Freude über das verschneite Land gelaufen, dass sie ihr Ziel wahrscheinlich längst erreicht hätten. »Wir haben es nicht mehr weit«, sagte Julie, als sie stehen blieb und einen Blick auf die Karte warf. »Noch eine Meile, wenn es hochkommt.« Sie fuhr mit dem Finger über die Karte. »Sehen Sie … da ist der Bach. Wenn wir den erreicht haben, sind wir so gut wie dort.«
Doch diese Meile hatte es in sich. Kaum hatten sie den letzten der sanften Hügel hinter sich, fiel das Land plötzlich steil ab, ein Geröllhang, wie sie vermuteten, und vor ihnen lag eine zerklüftete Felslandschaft, die Julie an einen Film über einen Vulkan auf Hawaii erinnerte. Nur dass hier keine tropische Sonne vom Himmel brannte und die tiefen Furchen im gefrorenen Boden von einem Ausläufer des mächtigen Muldrow-Gletschers hervorgerufen wurden. Hier veränderte sich das Land ständig, zeigte es alle paar Jahre ein anderes Gesicht, und wäre nicht das Schneetreiben gewesen, hätten sie wohl erschrocken innegehalten und entsetzt auf diesen »Golfplatz des Teufels« geblickt. So hatte ein alter Ranger die Ausläufer des Mount McKinley getauft.
Im Lichtschein der Stirnlampen, inzwischen hatten auch Mike
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