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Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1

Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1

Titel: Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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und ließ das provisorische Rettungsseil in die Tiefe gleiten. Im Schein der Lampe griff seine Frau danach. Sie bekam es sofort zu fassen, schaffte es aber nicht, sich von der Felsspitze zu lösen. »Ich hänge fest! Hilf mir, Mike! Lange halte ich nicht mehr durch! Ich will nicht sterben!«
    »Ich klettere runter«, entschied Julie, ohne lange nachzudenken. »Ich klettere an den Anoraks runter und helfe ihr, sich loszumachen. Die Jacken halten zwei Personen. Meinen Sie, Sie sind stark genug, um uns beide hochzuziehen?«
    »Das ist zu gefährlich, Julie! Sie werden beide in die Tiefe stürzen!«
    Julie hörte nicht auf Mike. Sie zog die Schneeschuhe aus, stieg über den Rand und hangelte sich an den zusammengeknoteten Anoraks zu Ruth hinab. Sie hatte keine Angst. Alle ihre Gedanken waren darauf konzentriert, Ruth zu befreien und sicher nach oben zu bringen. »Ich helfe Ihnen!«, rief sie nach unten. »Glauben Sie, Sie können sich lange genug an den Jacken festhalten?«
    »Meinen Sie … meinen Sie, die halten uns beide, wenn wir uns daran hochziehen?«, fragte Ruth ängstlich.
    »Keine Bange, ich hab gerade eine Diät hinter mir.« Julie hatte einen Felsvorsprung gefunden, auf dem sie sich mit den Füßen abstützen konnte. Mit der linken Hand hielt sie sich an den Anoraks fest, mit der rechten versuchte sie die verunglückte Frau zu erreichen.
    Ruth wollte gerade nach Julies Hand greifen, als sich die Felsspitze mit einem hässlichen Geräusch weiter durch den Stoff nach oben fraß und direkt unter ihrer rechten Schulter hängen blieb. Sie stieß einen verzweifelten Schrei aus und zog ihre Hand zurück. In ihren Augen spiegelte sich die nackte Angst. Sie wusste ganz genau, dass ihr Anorak beim nächsten Mal reißen und sie in den Abgrund stürzen würde. Ihr Leben hing buchstäblich an einem seidenen Faden.
    »Greifen Sie das Seil! Mit beiden Händen! Lassen Sie nicht los!«
    Julie klang so ruhig und entschieden, dass Ruth gehorchte. Sie griff nach dem losen Ärmel, an dem auch Julie sich festhielt, und wimmerte verzweifelt.
    Julie öffnete den Reißverschluss von Ruths Anorak. Zu ihrer Erleichterung sah sie, dass der Felsen sie nicht ernsthaft verletzt und nur ihre Haut ein wenig aufgerissen hatte. »Nicht loslassen, Ruth!«, mahnte Julie. »Auf keinen Fall loslassen! Ich werde jetzt den Anorak losmachen, damit wir Sie nach oben ziehen können. Machen Sie sich bereit, gleich wird es einen Ruck geben.«
    Julie zog ihr Taschenmesser aus ihrer Jacke und machte sich an Ruths Anorak zu schaffen. Schnell zerriss der Stoff und Ruth kam mit einem Ruck frei. Sie schrie auf, konnte sich aber festhalten. Schluchzend klammerte sie sich an die geknoteten Anoraks. »Zieh uns hoch, Mike! Schnell!«
    Julie steckte ihr Messer weg und umfasste Ruth mit ihrem freien Arm, dabei redete sie ihr gut zu. »Jetzt haben wir es gleich geschafft, Ruth! Gleich sind wir oben!« Mit den Füßen fand Julie immer wieder Halt in der zerklüfteten Felswand und erleichterte Mike die schwere Arbeit. Dennoch musste er seine ganze Kraft aufbieten, um die beiden Frauen hochzuziehen. »Nur noch ein paar Sekunden, Ruth … alles nur halb so schlimm! Wir schaffen es!«
    Sie erreichten den Rand der Felsspalte und krochen auf festen Boden. Mike half seiner Frau, packte sie unter den Achseln, zog sie in den Schnee und umarmte sie so fest, dass sie kaum noch Luft bekam. »Du bist okay, Ruth! Es ist alles wieder gut! Ich liebe dich, mein Schatz! Mein Gott, hatte ich eine Angst!«
    Julie stand auf und öffnete mit viel Mühe den festgezurrten Knoten, der die Anoraks zusammenhielt. Sie hatten kaum unter der Rettungsaktion gelitten. »Das … das war verdammt knapp«, sagte sie leicht verstört, doch Mike und Ruth hatten etwas Besseres zu tun, als ihr zuzuhören. Sie küssten sich leidenschaftlich.

15
    Ruth weinte vor Erleichterung. Die blutigen Schrammen, die sie während des unglücklichen Sturzes erlitten hatte, waren kaum der Rede wert, und es genügten einige Pflaster, um die leichte Blutung zu stillen. Sie zitterte nur wegen der eisigen Kälte, die mit dem Wind über die Hänge blies, denn ihre Jacke war total zerfetzt und bot keinen Schutz mehr.
    Mike ließ sie rasch in seinen Anorak schlüpfen und blickte sie lächelnd an. »Alles klar?«
    »Alles klar«, erwiderte sie dankbar. Sie ging zu Julie und schloss sie in ihrem viel zu großen Anorak in die Arme. »Danke, Julie! Du warst sehr mutig.«
    Julie war viel zu erschöpft, um etwas darauf zu erwidern.

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