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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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kann doch einen Seemann …
    Es war Abend und kurz vor ihrer Ablösung. Kurt und Bert bildeten schon seit Jahren ein Team. Und wenn es mal hart auf hart kam, warf Kurt seine Kraft und Bert seine enorme Schnelligkeit in die Waagschale. Zwei Komponenten, die im Großstadtdschungel der Mainmetropole überlebenswichtig sind, so man denn kreuzgefährliche Berufe ausübte.
    Der Polizist Kurt war mitten in der Lektüre von Donald Duck, Band 36, als er von seinem Partner einen leichten Ellenbogenstupser erhielt. Begleitet von seinen zwei Einkaufstüten schleppenden Bodyguards betrat Alexander Michailovitsch federnden Schritts die Eingangshalle. Man kam von einem Großeinkauf auf der um die Ecke liegenden Nobelmeile Goethestraße zurück.
    Das Gespann ließ die Prozession zum Empfangstresen ziehen, ehe es sich ausbildungsgemäß in Szene setzte. Während Bert Alexander Michailovitsch ansprach – „Mister Michailovitsch?“ –, behielt Kurt mit leicht geöffnetem Jackett, damit man seine Knarre sehen konnte, die zwei aus den Fugen geratenen Schoßhündchen im Visier.
    Erst in letzter Zeit setzt man auch in der russischen Gesellschaft, hier vornehmlich bei Ehestreitigkeiten und Kindergartenkonflikten, verstärkt auf Dialog. Das war nicht immer so. Erst schießen, dann fragen, war keine Frage der inneren Einstellung oder der Geringschätzung menschlichen Lebens gegenüber, oh nein, es war schlicht und ergreifend Überlebensstrategie. Die zwei Bewacher Michailovitschs waren von altem Schrot und Korn, sahen im Dialog eine Form von Schwäche, die allenfalls Frauen, Babys und Schwuchteln zustand.
    In dem Moment, als Bert mit seinem Dienstausweis vor Michailovitschs Augen fuchtelte, fielen die Einkaufstüten zu Boden. Damit einhergehend, also gleichzeitig, griffen die beiden Unholde unter ihre Jacken. Sie waren fix, doch nicht fix genug. Eigentlich gehörten sie ausgemustert. Sie waren bestenfalls zweite Wahl. Die erste Wahl war damit beschäftigt, Michailovitschs Massen an Verwandtschaft in Sankt Petersburg rund um die Uhr zu beschützen. So standen insgesamt über neunzig Sicherheitskräfte bei ihm in Lohn und Brot. Fast schon eine kleine Armee. Das hatte nichts mit Prahlerei zu tun, es war in russischen Städten bittere Notwendigkeit, wollte man nicht dem Heer der ausgemusterten Soldaten zum Opfer fallen, das in gutorganisierten Banden ihr Gewerbe ausübte. Unterschiedliche Berufsgruppen hatten sich gebildet. Besonders stark vertreten waren Entführer, Erpresser und Killer, die man sich stunden-, tage- oder wochenweise mieten konnte. Letztlich war es nur eine Preisfrage. Um nicht unkalkulierbaren Konjunkturschwankungen ausgeliefert zu sein, taten sich einige dieser Geschäftsleute gleich in mehreren dieser neuen Berufe hervor. Sie waren besonders gefragt. Auch im Westen wurden Leute mit Multitasking-Fähigkeiten allerorten gesucht.
    Sei es, wie es sei, im Nu lag die zweite Garde Sankt Petersburger Personenschützer handschellengefesselt auf dem roten geräuscheschluckenden Teppich des Frankfurter Hofs.
    „Sie wünschen?“ Michailovitschs Deutsch war akzentfrei, sein Lächeln bühnenreif. Als First Lady hätte er damit reihenweise Krankenhäuser einweihen können.
    Keines Mannes Kräfte sind unendlich. Noch immer war die Landschaft hügelig und kein noch so kleiner Pfad, dem er hätte folgen können, hatte seinen steinigen Weg gekreuzt. Von einem lieblich durchs Sommergras und Wildblumen mäandernden Bächlein ganz zu schweigen. Herr Schweitzer war am Ende, die kleine Katze seit Stunden verschwunden. Er hatte es tatsächlich geschafft, der Landstraße, von der er vor ein paar Stunden das Geräusch der Goldwing vernommen hatte, immer näher zu rücken. Wenn er so weitermachte, würde in absehbarer Zeit der Aufprallwinkel neunzig Grad betragen. Optimaler geht’s nimmer. Aber das konnte Herr Schweitzer natürlich nicht wissen, zumal kein weiteres Motorengeräusch ihn von der Richtigkeit seines eingeschlagenen Wegs nachhaltig überzeugt hatte. Verlassen konnte er sich momentan auf nichts als sein Gefühl.
    Der Versuch, in den er keine große Hoffnung legte, sollte die letzte Tat für heute sein, ehe er sich wie ein Cowboy in der Prärie, aber ohne brutzelndes Steak über einem romantischen Lagerfeuer, unter einem jahrmillionenalten Sternenhimmel zur Ruhe legte, auf daß er morgen in alter Frische und dreckiger Unterhose sein Tagewerk verrichtete. Das Tötet-ihn-Handy hatte den Geist endgültig aufgegeben. Um so überraschender

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