Verschollen im Taunus
verwundert. Sie hatte den Anschein gehabt, als habe da jemand eine Flasche Wodka intus. Komisch, dachte er, gerade in Deutschland müßte man doch professioneller arbeiten.
Er notierte sich den Namen des Hotels auf einen Zettel. Der Weg zu diesem Idioten, der sich gegen Bezahlung als Double zur Verfügung gestellt hatte und den es dringend zu eliminieren galt, führte ausschließlich über Michailovitsch, soviel war klar. Sofern er überhaupt noch am Leben war, hundertprozentig sicher war er sich da nämlich nicht. Maxim erinnerte sich zwar, daß dieser beim Verhör seinen Namen genannt hatte – irgendwas mit Sch am Anfang –, aber leider war das auch schon alles, was in seinem Gedächtnis hängen geblieben war.
Morgen würde er sich darum kümmern. Dann rief er die Rezeption an und bat um alkoholischen Nachschub. Ihm stand der Sinn nach einer kleinen Privatfeier. Der auf dem Nachttisch liegende Frankfurt-Führer hatte mehrere Callgirls im Angebot. Schon die zweite Vaginalfachverkäuferin war der russischen Sprache mächtig. Er bestellte. In weniger als einer halben Stunde sei sie bei ihm. Maxim pries die Globalisierung. Er schaltete den Fernseher aus. Den Pornokanal brauchte er nicht mehr.
„Oha, du bist ja gar nicht tot.“
„Würde ich dann vor dir sitzen?“
„Du hast schon vor mir gesessen, da hätte jeder, der dich gesehen hat, seine Großmutter darauf verwettet, du seist tot“, entgegnete René, der Frühzecher-Wirt, und polierte einen Aschenbecher.
„Heute aber nicht“, sagte Herr Schweitzer schnippisch.
Das stimmte, heute war er nur mäßig betrunken.
René: „Was man so hört, sollst du dich ja mal wieder mächtig in die Scheiße geritten haben …“
Er war der einzige Gast. Der Frühzecher war nicht auf Gäste des frühen Abends spezialisiert, sondern auf solche des frühen Morgens, nachdem die Konkurrenz die Rolläden heruntergelassen hatte. „Och, so würde ich es nicht nennen.“
„Aha, und dein Fuß, da bist du wohl auf Glatteis ausgerutscht. Und das mitten im Sommer. Das kann auch nur dir passieren.“
An einem anderen Abend hätte Herr Schweitzer diesen verbalen Schlagabtausch geliebt. „Du, René, ich bräuchte deine Hilfe.“
„Sag ich doch, in die Scheiße geritten …“
„Nein, nein, die Sache ist eher harmlos.“
Das Ex-Hells-Angels-Mitglied servierte Herrn Schweitzer ein Pils. „Erzähl!“
„Jemand schuldet mir fünftausend Piepen.“ Der Detektiv war ein Meister darin, sich dem Jargon des Gesprächspartners anzupassen.
„Dann frag ihn danach. Das hast du doch?“ Es sollte ein Witz sein.
„Nein, hab ich noch nicht.“
„Wie? Höre ich da richtig?“ René schmiß sich das Geschirrtuch über die Schulter und wischte sich die Hände an der Hose ab. „Du hast ihn noch nicht einmal danach gefragt? Dann wird’s ja höchste Eisenbahn. Oder möchtest du, daß ich ihn frage? Im Fragen bin ich nämlich klasse. Was wäre dir denn die Frage wert? Wenn’s so harmlos ist, wie du sagst, bin ich dein Mann. Können wir uns auf fifty-fifty einigen?“
„Nein, du verstehst nicht …“
„Dann erklär’s mir doch.“
„Tja, der Typ könnte gefährlich werden.“
„Gefährlich? Ich weiß nicht mal, wie das geschrieben wird. Wer ist es? Ein skrupelloser Geschäftsmann? René ist skrupelloser! Ein geiziger Auftraggeber? René wird ihm seinen Geiz austreiben! Ein böser, böser Massenmörder? Auch René kann sehr, sehr böse werden! Also …“
„Alexander Michailovitsch“, antwortete Herr Schweitzer ohne irgendwelche Hintergedanken.
Im allgemeinen war René durch nichts zu erschüttern. Auch jetzt nicht. Er wußte immer, was zu tun war. Seelenruhig reichte er Herrn Schweitzer die Morgenausgabe der Frankfurter Rundschau, die ihm der allabendlich aufkreuzende pakistanische Zeitungsverkäufer kurz vor dem Erscheinen des noch immer einzigen Gastes verkauft hatte. „Steht im Sportteil. Michailovitsch will bei der Eintracht einsteigen. Kannste in Ruhe durchlesen, während ich weg bin.“ Vorausschauend zapfte er ein weiteres Pils an, Herr Schweitzer würde es gleich zu schätzen wissen.
Der Detektiv las und alsbald offenbarten sich ihm die ‚Geschäfte‘, derentwegen Michailovitsch in der Mainmetropole war. Die für morgen nachmittag angekündigte Demonstration nahm er zur Kenntnis. Er war nicht sonderlich mit Fußball vertraut und hatte auch keine Meinung dazu. Ob das mit dem Sponsorentum jetzt gut oder schlecht war – es kümmerte ihn nicht. Nur die
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