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Verschollen im Taunus

Verschollen im Taunus

Titel: Verschollen im Taunus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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finster drein. Von nun an wollte er ein Sympathieträger sein, zumindest für die Fans von Eintracht Frankfurt. Vergeßt Roman Abramowitsch, hier komme ich. Ich, Alexander der Große.
    Würdevoll schritt Majestät die Stufen herab. Und das mit dem roten Teppich wollte er demnächst auch noch regeln.
    Das Weinfaß. Allegorie purer Sachsenhäuser Lebensfreude. Und Herr Schweitzer mittenmang. Was Rang und Namen hatte, war anwesend. Aber auch Randfiguren hatten es sich nicht nehmen lassen, wenigstens mal kurz vorbeizuschauen, um ihn zu beglückwünschen. Die Nachricht seiner Rettung hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Die falschen Gerüchte der Vergangenheit hatte es nie gegeben, wurden zu unter äußerstem Vorbehalt abgegebenen, vagen Vermutungen degradiert. Außerdem, was soll’s, Hauptsache er weilte wieder unter ihnen. Bertha, die rustikale Wirtin, hatte ihm wegen seines kriegsversehrten Fußes extra ihr flauschiges Kissen, das sonst keiner außer ihr selbst benutzen durfte, unter das Gesäß geschoben. Seine Geschichte hatte Herr Schweitzer nur einmal zum besten gegeben. Dem Apfelweinkellner Buddha Semmler sowie Weizenwetter war es von Stund an vergönnt, die Sage um des Helden göttlicher Errettung dem einfachen und manch fahrendem Volk in den schillerndsten Farben mit pathetischer Stimme zu vermitteln. Vielerlei hervorgebrachte Oohs und Aahs ließen Herrn Schweitzer wissen, er stand im Mittelpunkt der allgemeinen Bewunderung.
    Maria hingegen langweilte sich gar arg. Sie kannte das. Nicht zum ersten Mal erlebte sie solch ein Tohuwabohu um ihren Liebsten. Doch heute war es ihr besonders zuwider. Was hatte Simon denn anderes getan, als sich am Leben zu erhalten? Gut, dafür war sie ja auch dankbar, aber solch ein Gekreische um etwas, das jeder andere, dem sein Leben lieb war, auch getan hätte, das war dann doch des Guten zuviel. Aber vielleicht gehörte das ja zum Leben dazu. Darüber dachte sie eine Weile nach und kam zu dem Schluß, ja, es gehörte dazu. Pausbäckige Apfelweinköniginnen ließen sich Jahr für Jahr in Sachsenhausen feiern, als wären sie die Queen persönlich. Unterklassige Fußballmannschaften feierten Siege wie Weltmeisterschaften und der ein oder andere Betreiber einer Ebbelweikaschemme verlieh sich einen Michelin-Stern nach dem anderen für seine Rippchen-Sauerkraut-Kreationen. Das Leben scheint aus Übertreibungen zu bestehen, resümierte Maria, aber dafür bin ich inzwischen zu alt. Ein taxierender Blick in die Runde verriet ihr, mit dieser Meinung gerade in diesem Moment alleine zu stehen.
    Sie wurde von Herrn Schweitzer aus den Gedanken gerissen: „Maria, ist dir nicht gut?“
    Blitzschnell war sie von dieser Idee begeistert: „Ja, Simon. War wohl alles ein bißchen viel für mich in letzter Zeit. Ich glaube, ich gehe besser nach Hause. Schlafen und so. Du bist mir doch nicht böse?“
    Wie konnte er? „Aber nein, mein Schatz, wie könnte ich?“
    „Echt nicht?“
    „Ach, Quatsch. Aber du verstehst, ich muß noch bleiben. Wenigstens eine Stunde. Die nächste Runde geht auf mich.“ Außerdem führte Herr Schweitzer noch etwas ganz anderes im Schilde. Nachher wollte er noch zum Frühzecher. Zu René, seinem Kumpel mit der Hells-Angels-Connection. Der oder einer seiner ehemaligen Gangmitglieder sollte ihn zu Michailovitsch begleiten, die fünftausend Hühner einfordern. Besser, wenn Maria davon nichts mitbekam. Er gab ihr einen Kuß. „Ich komme dann später zu dir hoch.“
    „Ja, mach das.“
    Auch Maxim, der Terrorist, war an diesem Abend in Hochstimmung. Auf der Suche nach einem Pornosender hatte urplötzlich in den Spätnachrichten Alexander Michailovitsch aus der Mattscheibe gegrinst. Das war so überraschend gekommen, daß ihm der Whiskey der Minibar entglitten und über die Jeans gelaufen war. Offenen Mundes hatte er den zweiminütigen Bericht verfolgt. Obschon ihm der exakte Inhalt, der fremden Sprache wegen, verborgen blieb, so hatte er doch herausgehört, daß er irgendwas mit Eintracht Frankfurt zu tun haben mußte. Schließlich war er Fußballfan und wußte um das Engagement des Milliardärs in Prag und Bröndby. Den Rest konnte er sich zusammenreimen. Und, als hätte das Hotel King ein paar Kröten für Schleichwerbung hingeblättert, war der goldene Schriftzug die ganze Zeit über am oberen rechten Bildrand zu sehen gewesen. Wenn das mal keine göttliche Fügung war, dachte Maxim und rieb sich die Hände. Einzig die nervöse Kameraführung hatte ihn ein bißchen

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