Verschollen im Taunus
den Russen auftauchen? Das ging partout nicht. Was sollten die denn denken? Er, Herr Schweitzer, ein Mamasöhnchen? Genau das würden sie denken. Er hatte da schon eine Idee. Außerdem drängte sich aus seinem Unterbewußtsein ein weiterer Gedanke in den Vordergrund, der besagte, daß das so nicht weitergehen konnte mit dem Schaumschlägertum seiner Geschlechtsgenossen. Frauen dachten doch inzwischen, es sei absolut nichts dahinter, wenn Männer immerfort auf die Pauke hauten. Damit mochten sie vielleicht auch goldrichtig liegen, aber nicht bei ihm. Nicht bei ihm! Das mußte umgehend klargestellt werden, sonst nahm ihn keiner mehr ernst und sein Ruf in Sachsenhausen wäre für alle Zeiten ruiniert. Hier war des Mannes Mannheit gefragt. Ein letzter Ruck ging durch Herrn Schweitzer. „Aber Maria, was denkst du denn da? Natürlich hole ich mir das Geld. Gleich morgen gehe ich hin. Das wäre doch gelacht. Der gute Simon und sich was gefallen lassen … Pah! Und mitkommen brauchst du auch nicht. Du hast bestimmt was Besseres zu tun. Wegen so einer Lappalie machen wir doch nicht die Pferde scheu …“
„Also, geht doch.“ Maria dachte wirklich, da sei doch nichts dabei.
Jetzt war es aber an der Zeit, vom Thema abzulenken: „Was macht eigentlich deine neue Skulptur?“
„Ach, hör bloß auf. Mir ist das letzte Sägeblatt kaputtgegangen. Morgen muß ich zum Baumarkt.“
„Was ist jetzt mit meiner Sänfte?“
„Hörst du schwer?“ flachste Maria. „Die bleibt in der Garage.“
Ob so vieler Ungerechtigkeiten seufzte Herr Schweitzer tief. Er setzte Pepsi auf den Rasen und schälte sich aus der Hängematte. „Wie war das noch mal mit dem Weinfaß heute abend?“
„Ich dachte, wir gehen vorher noch was Feines essen. Vielleicht mal wieder zum Italiener, oder was meinst du?“
„Prima Idee.“ Wie auf Befehl kam ein Knurren aus seinem Magen.
„Ich habe vorhin, als du schliefst, ein paar Leutchen angerufen. Die würden sich mächtig freuen, dich bei bester Gesundheit zu sehen. So gegen neun im Weinfaß, das schaffen wir. Wenn’s ein bißchen später wird, ist’s auch nicht schlimm.“
„Aye, aye, Sir.“ Und: „Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern. Keine Angst, keine Angst, Rosmarie.“
„Ansonsten geht’s dir gut?“
„Exzellent. Danke der Nachfrage. Ich geh jetzt erst mal baden.“ Herr Schweitzer humpelte von dannen.
Es war noch immer hell, als Robert Johns mit Kameramann Jochen vor dem Hotel King in der Wallstraße Stellung bezog. Das Viertel zeigte sich von seiner freundlichen Seite. Liebespaare, Familien mit Kindern, Rentner und leichtbekleidete Mädels auf der Suche nach einem Flirtpartner schlenderten die Bürgersteige entlang. Tauben gurrten um die Wette und auch ein Eichhörnchen kreuzte, spielerisch verfolgt von einem jungen Dackel, geschwind die Straße. Sämtliche Gaststätten hatten geöffnet und warteten auf Kundschaft. Noch steckte die Wirtschaftskrise in den Kinderschuhen. Allenthalben war man bereit, gutes Geld für gute Küche auszugeben.
Obwohl Jochen und der Alkohol keine entfernten Verwandten waren, hatte ihn Robert Johns wenigstens so weit wieder hingekriegt, daß er die Kamera halten konnte. Eine kalte Dusche und ein Liter Kaffee hatten ihn aus dem geistigen Abseits geholt. Trotzdem war die Promillezahl noch immer im Grenzbereich zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Da half ihm auch sein Treuebekenntnis kaum, er werde ihn nicht im Stich lassen, er schaffe das schon, irgendwie. Robert Johns beäugte ihn zweifelnd.
Alexander Michailovitsch hatte versprochen, in zwanzig Minuten unten zu sein, er müsse sich nur noch kurz frisch machen.
Endlich, dachte der Milliardär, endlich finde ich die Anerkennung, die ich verdiene. Unten wartete das Fernsehen und man wollte ein Interview mit ihm. Das erste von vielen. Da steckt bestimmt dieser Pierre Angler dahinter, der Eintracht-Präsident. Das war gut. Das war sogar sehr gut, zeigte es doch, daß er hier in Deutschland willkommen war. In Rußland gab er schon seit Jahren keine Interviews mehr, dort war er eine verhaßte Persönlichkeit. Er tröstete sich mit dem Gedanken, daß Propheten im eigenen Lande selten etwas galten. Sein Nadelstreifenanzug von Gucci lag griffbereit auf dem Bett. Er war fertig mit der Rasur und öffnete das Dunhill-Aftershave, ein Geschenk seiner holden Gattin zum letzten Osterfest.
Ein letzter Blick in den Spiegel, alles saß perfekt. Seine beiden Bodyguards brauchte er nicht, sie schauten ihm zu
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